Juntachef in Myanmar verringert Strafmaß für Suu Kyi

Frankfurt a.M./Naypyidaw (epd). Zwei Jahre Hausarrest statt vier Jahre Haft für Aung San Suu Kyi: Wenige Stunden nach dem Urteilsspruch hat Myanmars Militärregime das Strafmaß für die gestürzte De-facto-Regierungschefin verringert. Eine entsprechende Anordnung habe Juntachef Min Aung Hlaing erlassen, berichtete das Staatsfernsehen Myawady TV am Montagabend (Ortszeit). Demnach wurde auch die Strafe für den ebenfalls entmachteten Präsidenten Win Myint auf zwei Jahre verringert. Die beiden Verurteilten würden unter Hausarrest gestellt und müssten nicht ins Gefängnis.

Zuvor hatte ein Gericht am Montag die 76-jährige Suu Kyi wegen Anstiftung zum Aufruhr sowie Verstößen gegen Corona-Auflagen zu vier Jahren Haft verurteilt. Die Urteile vom Montag waren die ersten gegen die Friedensnobelpreisträgerin, gegen die noch weitere Verfahren eingeleitet wurden. Auch der ebenfalls entmachtete Präsident Win Myint war wegen der gleichen Anschuldigungen zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Verfahren hatten hinter verschlossenen Türen stattgefunden.

Die Klage wegen Aufwiegelung beruhte laut Nachrichtenportal „Irrawaddy“ auf Kommentaren gegen den Militärputsch vom 1. Februar, die auf der Facebook-Seite der entmachteten Regierungspartei „Nationale Liga für Demokratie“ (NLD) gepostet wurden, nachdem Suu Kyi und andere Köpfe der NLD kurz nach dem Umsturz verhaftet worden waren. Bei den Verstößen gegen Corona-Auflagen ging es um den Wahlkampf im Herbst 2020.

Die UN und EU kritisierten die Urteile sowie die Gerichtsverfahren scharf und forderten erneut die sofortige Freilassung der Verurteilten. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, sprach von einem „Scheinprozess“ vor einem vom Militär kontrollierten Gericht. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte in Brüssel, es handele sich um „einen weiteren Schritt hin zur Abschaffung der Rechtsstaatlichkeit und eine weitere gravierende Menschenrechtsverletzung in Myanmar“.

In weiteren Gerichtsprozessen muss sich Suu Kyi wegen illegalen Besitzes von Funkgeräten, Korruption und Verrats von Staatsgeheimnissen verantworten. Des Weiteren wirft ihr das Militärregime Wahlfälschung vor. Wird sie aufgrund dieser Anschuldigungen ebenfalls für schuldig befunden, drohen ihr Jahrzehnte Haft.

Ende Oktober war bereits einer der engsten Weggefährten Suu Kyis wegen Hochverrats zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Knapp zwei Wochen später wurden zwei weitere politische Verbündete wegen Korruptionsvorwürfen zu Haftstrafen von jeweils 90 und 75 Jahren verurteilt.

Den Putsch vom Februar hatte das Militär unter Machthaber Min Aung Hlaing mit Wahlbetrug begründet, ohne Beweise vorzulegen. Suu Kyis NLD hatte die Abstimmung vor mehr als einem Jahr klar gewonnen, die Partei der Militärs war unterlegen. Schon die Wahlen von 2015 hatte die NLD für sich entscheiden.

Seit dem Staatsstreich versinkt das südostasiatische Land im Chaos. Laut der Hilfsorganisation für politische Gefangene AAPP wurden in den vergangenen zehn Monaten mehr als 1.300 Menschen bei Protesten getötet und über 10.700 weitere verhaftet.

Kurzportrait: Gestürzt und kaltgestellt: die einstige Demokratie-Ikone von Myanmar

Knapp ein Jahr nach dem Militärputsch in Myanmar ist die abgesetzte De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi nicht nur entmachtet und festgesetzt, sondern auch zu mehrjähriger Haft verurteilt. Noch mehrere Prozesse sind anhängig, weitere Haftstrafen drohen.

Viele Jahre ihres Lebens war die mittlerweile 76-Jährige schon ihrer Freiheit beraubt: Als Oppositionsführerin war sie zwischen 1989 und 2010 mehr als 15 Jahre in Hausarrest oder Haft, während die Militärherrscher nach der Niederschlagung einer Demokratiebewegung 1988 weiter ihre Macht festigten. Für ihren friedlichen Widerstand bekam Suu Kyi 1991 den Friedensnobelpreis verliehen.

Die Tochter des 1947 ermordeten Unabhängigkeitshelden Aung San geriet eher zufällig in das politische Geschehen ihrer Heimat. Sie hatte in Indien gelebt und in England studiert. Erst 1988 kehrte sie nach Myanmar (früher Birma) zurück, um ihre schwer kranke Mutter zu pflegen. Es war das Jahr, in dem Studenten Massenproteste gegen das Militärregime auf die Beine stellten. Suu Kyi beteiligte sich und wurde schnell zum Inbegriff des Widerstands und zur Vorsitzenden der neu gegründeten „Nationalen Liga für Demokratie“. 1990 ließen die Generäle auf internationalen Druck zwar Wahlen zu, erkannten den Sieg der NLD jedoch nicht an.

Nach einem erneuten Wahlsieg 2015 musste sich das Militär beugen und ließ Suu Kyi als De-facto-Regierungschefin zu - sicherte sich aber zugleich weiter enormen Einfluss. Suu Kyis Image als Demokratie-Ikone bekam nach der Regierungsübernahme allerdings zunehmend Risse. Den Völkermord an den muslimischen Rohingya duldete sie nicht nur, sondern verteidigte die Verbrechen des Militärs sogar öffentlich. Auch wurden unter der NLD Dissidenten verfolgt und inhaftiert.

Den neuerlichen Sieg der NDL im November 2020 bezeichneten die Militärs als Wahlbetrug, im Februar folgten der Putsch und die Absetzung Suu Kyis.