Islamismus-Experten warnen vor Co-Radikalisierung

Düsseldorf (epd). Nach dem Verbot des „Islamischen Zentrums Hamburg“ mahnen Fachleute flankierende Bildungs- und Aufklärungsmaßnahmen zu islamistischen Extremismus an. „Die Gefahr, dass eine verbotsorientierte Politik zu einer stärkeren Radikalisierung führt, ist durchaus gegeben“, sagte Jamuna Oehlmann, Co-Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus, der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Freitag). Wenn Mitglieder solcher Gruppierungen das Gefühl hätten, ungerecht behandelt oder verfolgt zu werden, könne dies ihre ideologischen Überzeugungen verstärken und zur weiteren Entfremdung von der Gesellschaft beitragen.

Auch nutzten andere islamistische Akteure solche Verbote gezielt, um mit Ressentiments Anhänger zu gewinnen und zu mobilisieren. „Neben Verboten sollte der Staat daher noch stärker Projekte der Präventionsarbeit und Demokratieförderung, aber auch Regelstrukturen der Bildung und Sozialen Arbeit unterstützen“, forderte Oehlmann. Besonders im Online-Bereich müssten zivilgesellschaftliche Ressourcen ausgebaut werden, „um islamistischen Inhalten zum Beispiel auf TikTok und Instagram mehr entgegensetzen zu können“.

Der Osnabrücker Radikalisierungsexperte Michael Kiefer sagte der Zeitung: „In der Wissenschaft sprechen wir von Co-Radikalisierung, wenn staatliche Maßnahmen nicht gewollte Effekte erzeugen.“ Er empfahl den Behörden in der Präventionsarbeit ein ressortübergreifendes Zusammenspiel. Kiefer selbst ist Mitglied einer Arbeitsgruppe des Landes Nordrhein-Westfalen, in der sich das Schul-, Jugend- und Innenministerium mit einem Expertenkreis austauschen.

„Im Bund ist in dieser Richtung noch Luft nach oben“, kritisierte Kiefer. Eine wirkungsvolle Strategie gegen Islamismus könne „nicht nur repressive Methoden“ umfassen. „Die Frage ist, was wir mit den Adressaten und Adressatinnen solcher Organisationen machen. Da brauchen wir eine langfristig angelegte, effektive Präventionsarbeit gegen Radikalisierung“, erklärte der Wissenschaftler vom Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am 27. Juli das „Islamische Zentrum Hamburg“ (IZH) und seine bundesweiten Teilorganisationen mit der Begründung verboten, als extremistische Gruppierung des Islamismus verfolge das IZH verfassungsfeindliche Ziele. Mit dem Verbot wird auch das Vermögen der Organisationen beschlagnahmt.