Ischinger zu Umsetzung des Libyen-Beschlusses: "Das wird schwierig"

Berlin (epd). Nach der Berliner Libyen-Konferenz hat sich der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, zurückhaltend zu den Friedensaussichten für das Bürgerkriegsland geäußert. Ein Schwachpunkt der Konferenz sei gewesen, dass sich der libysche Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch und sein Bürgerkriegsgegner, Rebellengeneral Chalifa Haftar, nicht in einem Raum zusammengefunden hätten, sagte er am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Nils Annen (SPD), bezeichnete das Ergebnis der Konferenz als "großen Erfolg für die Diplomatie".

Ischinger erklärte, in solch einer Situation müssten "sämtliche Streithähne" davon überzeugt sein, "dass sie mit militärischen Mitteln den Konflikt für sich nicht mehr entscheiden können". Es könne die Frage gestellt werden, ob zum Beispiel General Haftar tatsächlich die Überzeugung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teile, dass es keine militärische Lösung gebe. Zur Umsetzung des Berliner Beschlusses in den nächsten Tagen und Wochen sagte Ischinger: "Das wird schwierig. Das wird richtig schwere Arbeit."

Die am Libyen-Konflikt beteiligten Akteure hatten sich am Sonntagabend in Berlin geeinigt, keine weiteren Rüstungsgüter in das nordafrikanische Land zu liefern. Das bereits bestehende Waffenembargo soll stärker kontrolliert werden, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

Der Berliner Beschluss werde für alle Beteiligten erst dann bindend, wenn in New York der UN-Sicherheitsrat zustimme, sagte Ischinger. Nun müsse abgewartet werden, ob die fünf ständigen Mitglieder des Gremiums bereit seien, das zu tun. "Das wird ein ganz entscheidender Prüfstein sein", betonte er. 

Für die Durchsetzung möglicher Sanktionen sei ein Überwachungsmechanismus notwendig, der notfalls mit militärischen Mitteln durchgesetzt werde, ergänzte Ischinger. "Wer würde das denn tun? Das sind alles noch nicht beantwortete Fragen."

Staatsminister Annen sieht nach der Konferenz ein "Zeichen der Hoffnung" für Libyen. "Jeder weiß, es wird ein langwieriger, ein schwieriger, ein komplizierter Prozess", räumte der SPD-Politiker im SWR ein. Nun komme es darauf an, die Beschlüsse umzusetzen. Tatsache sei, dass in Libyen keine Seite diesen Krieg militärisch für sich entscheiden können. Insofern gebe es "eine Chance", dass auch Russland und die Türkei ihre Kämpfer zurückziehen. Russland unterstützt den abtrünnigen General Haftar, während die Türkei auf Seiten der Regierung in Tripolis steht.  

Zu einem möglichen europäischen Militärbeitrag zu einer Schutztruppe für Libyen erklärte Annen: "Wir werden uns natürlich auch bei der Umsetzung der Vereinbarung engagieren, aber ob das am Ende wirklich bedeutet, europäische Soldaten nach Afrika zu schicken, da wäre ich ein bisschen vorsichtig; das ist der zweite Schritt vor dem ersten." Man werde das "in aller Ruhe und sehr sorgfältig abwägen".

An der Berliner Konferenz nahmen Regierungsvertreter aus mehr als zehn Staaten teil, unter ihnen Russlands Präsident Wladimir Putin, US-Außenminister Mike Pompeo und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Auch der libysche Ministerpräsident al-Sarradsch und Rebellengeneral Haftar kamen zu der Konferenz in die deutsche Hauptstadt. Sie hätten nicht direkt an den Beratungen teilgenommen, seien aber in Berlin gewesen und über den jeweiligen Stand informiert worden, erklärte Kanzlerin Merkel nach dem Treffen. 

Die wichtigsten internationalen Akteure im Libyen-Konflikt haben sich bei einem Berliner Gipfel am Sonntag auf einen Fahrplan geeinigt, der den Weg zu einem Waffenstillstand und zu Friedensverhandlungen ebnen soll. Eine zentrale Rolle wird den Vereinten Nationen zugeteilt. Der UN-Sonderbeauftragte Ghassan Salamé erhält damit Unterstützung bei seinen Bemühungen, die bislang erfolglos geblieben waren. Nachfolgend stellt der Evangelische Pressedienst (epd) die wichtigsten Punkte vor. 

FAHRPLAN: Da sich alle Akteure dazu bekennen, dass es im ölreichen Libyen "keine militärische Lösung" geben kann, geht es darum, aus der militärischen Logik auszusteigen und einen politischen Prozess einzuleiten. Damit die Konferenz nicht folgenlos bleibt, gibt es einen sogenannten Follow-up-Prozess. In Berlin sollen von Februar an hohe Beamten und Experten in vier Arbeitsgruppen verschiedene Aspekte des Fahrplans bearbeiten: Behandelt werden sicherheits- und militärische Fragen sowie politische, wirtschaftliche und humanitäre Fragen. 

WAFFENEMBARGO: Ein solches Embargo gilt bereits seit 2011. Es wurde aber weder eingehalten noch wurden Verstöße mit Sanktionen belegt. Die Parteien verpflichten sich nun, das Verbot "in vollem Umfang einzuhalten" und sich außerdem nicht mehr in den bewaffneten Konflikt einzumischen. Sie fordern, dass alle "militärischen Bewegungen seitens oder in direkter Unterstützung der Konfliktparteien" ab dem Beginn des Waffenstillstandsprozesses eingestellt werden. 

WAFFENSTILLSTAND: Aus der momentanen Waffenruhe soll ein dauerhafter Waffenstillstand werden. Als Erfolg beim Berliner Gipfel gilt in dem Zusammenhang, dass "5 + 5" Personen für ein Militärkomitee benannt wurden. Das ist ein Gremium, in dem je fünf Vertraute der libyschen Rivalen, Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch und Rebellengeneral Chalifa Haftar, sitzen. Sie sollen in Genf Bedingungen für einen Waffenstillstand ausloten sowie "glaubwürdige Schritte" erarbeiten hin zu einer Auflösung bewaffneter Gruppierungen und Milizen. Der UN-Sicherheitsrat wird aufgefordert, mit "angemessenen Sanktionen" zu reagieren, wenn gegen Waffenstillstandsvereinbarungen verstoßen wird.

MIGRANTEN UND FLÜCHTLINGE: Das Chaos in Libyen hat laut Berliner Erklärung zu einer "destabilisierenden Zunahme illegaler Migration in der Region" geführt. Die von Menschenrechtlern heftig kritisierten "Haftzentren für Migranten und Asylbewerber" sollen "schrittweise" geschlossen werden. Zugleich werden rechtliche "Rahmenbedingungen" zu Migration und Asyl gefordert, die "dem Völkerrecht sowie international anerkannten Standards und Grundsätzen entsprechen". 

TERRORISMUS: Die Vorherrschaft der Milizen wird als Bedrohung für den "Weltfrieden und die internationale Sicherheit" gesehen. Denn dieser Zustand biete "illegalen Händlern, bewaffneten Gruppierungen und terroristischen Organisationen einen fruchtbaren Boden". Terrormilizen von Al-Kaida und "Islamischem Staat" könnten im libyschen Hoheitsgebiet Fuß fassen und dort wie auch in Nachbarländern Anschläge verüben. Terrorismus in Libyen müsse "mit allen im Einklang mit der UN Charta und dem Völkerrecht stehenden Mitteln" bekämpft werden.