Imam ruft Muslime zu mehr Engagement gegen Gewalt auf

Potsdam (epd). Der Imam und Religionswissenschaftler Kadir Sanci hat muslimische Gemeinden zu mehr Engagement gegen Extremismus und Gewalt aufgerufen. "Die Ablehnung der Gewalt aus religiösen Gründen muss eine viel lautere Stimme bekommen", sagte Sanci den "Potsdamer Neuesten Nachrichten" (Mittwoch). Der gebürtige Münchner ist Imam der geplanten Drei-Religionen-Einrichtung "House of One" in Berlin und Wissenschaftler der Universität Potsdam.

Er vermisse in der muslimischen Gemeinschaft, dass man der Legitimation von Gewalt unter Berufung auf den Koran "mit Aussagen und Argumenten direkt begegnet", sagte Sanci: "Wir müssen deutlich benennen, warum die Argumente der anderen Seite falsch sind." Auch in der Jugendarbeit muslimischer Gemeinden gebe es große Defizite.

"Wer die besseren Angebote hat, wer die bessere Sozialarbeit für Jugendliche anbietet, sitzt meist am längeren Hebel", betonte Sanci: "Und das ist leider oft die falsche Seite." Jugendliche würden dort zunächst mit sozialen Angeboten angesprochen und als Freunde mitgenommen "und erst dann mit religiöser Ideologie gefüttert". Dabei entstehe dann der Eindruck, dass es nicht falsch sein könne, "wenn die Freunde etwas Entsprechendes sagen und tun".

Muslime müssten nun jede Gelegenheit wahrnehmen, "so oft wie möglich in Freitagspredigten, Gesprächskreisen, religiösen Veranstaltungen und Unterricht die Ablehnung des Terrors zu thematisieren", sagte der Imam: "Wir müssen klar und deutlich machen, dass diese Gewalt gegen Andersgläubige durch den Koran nicht gedeckt ist." Damit müsse der liberale Islam auch in sozialen Medien "sehr viel präsenter werden", betonte Sanci: "Ich habe aber die Befürchtung, dass die Gegenseite im Internet viel aktiver ist."