Hunderte Menschen protestieren in Kabul

Dubai/Kabul/Genf (epd). Hunderte Afghaninnen und Afghanen haben am Dienstag in Kabul den Taliban getrotzt und gegen den Einfluss Pakistans auf das Land demonstriert. Die Protestierenden, darunter viele Frauen, skandierten Rufe wie „Pakistan, verlasse Afghanistan“ und „Freiheit, Freiheit“, wie der afghanische TV-Sender Tolo News berichtete. Taliban-Kämpfer hielten dem Sender zufolge Medienvertreter davon ab, die Proteste vor der pakistanische Botschaft zu filmen. Ein Kameramann von Tolo News wurde demnach festgenommen und seine Kamera konfisziert. Die Menge zerstreute sich, nachdem die radikalislamischen Kämpfer in die Luft geschossen hatten.

Pakistan hat großen Einfluss auf eine wichtige Fraktion der Taliban-Führung. Am Samstag besuchte der Chef des pakistanischen Geheimdienstes ISI, Fais Hamid, Kabul, nachdem zuvor ein Versuch zu einer Regierungsbildung der Taliban gescheitert war. Vor mehr als drei Wochen hatten die Taliban Kabul erobert und die Macht in Afghanistan übernommen. Wegen offensichtlichen Streitigkeiten zwischen einzelnen Taliban-Fraktionen ist immer noch keine neue Regierung gebildet worden.

Derweil appellierten die UN eindringlich an die internationale Gemeinschaft, mehr Geld für die Versorgung der Menschen in Afghanistan bereitzustellen. Bis Ende des Jahres seien 606 Millionen US-Dollar (511 Millionen Euro) nötig, sagte der Sprecher des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Hilfe, Jens Laerke, in Genf. Bisher seien nur etwa 40 Prozent davon eingegangen. Die UN-Organisation hoffe auf die internationale Afghanistankonferenz am kommenden Montag.

Die UN und ihre Hilfswerke wie das Welternährungsprogramm wollten auch nach der Machtübernahme der radikalislamistischen Taliban in Afghanistan Mitte August der Bevölkerung beistehen, sagte der Sprecher. Die UN appellierten wiederholt an die Taliban, den Helfern uneingeschränkten Zugang zu den Menschen zu geben. Rund die Hälfte der 38 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Afghanistans sind laut UN auf humanitäre Hilfe in Form von Lebensmitteln, Wasser oder Medikamenten angewiesen. Etwa ein Drittel der Bevölkerung wisse nicht, wie es an die nächste Mahlzeit kommen solle.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte unterdessen dringende Maßnahmen um Schulkinder und Lehrerinnen und Lehrer in Afghanistan zu schützen. Während des Vormarsches der Taliban seien in den ersten sechs Monaten des Jahres etwa 40 Schulen mit Explosionswaffen angegriffen worden, erklärte die Organisation unter Berufung auf einen Bericht der Globalen Koalition zum Schutz der Bildung vor Angriffen. Die meisten der über 185 getöteten oder verwundeten Schulkinder und Lehrkräfte seien weiblich gewesen. Von 2018 bis zur Jahresmitte 2021 habe es über 200 solcher Anschläge auf Bildungseinrichtungen gegeben, mehr als 600 Kinder und Lehrpersonal seien dabei verwundet oder getötet worden.