Hohe Hürden für AKK

Genf (epd). Auf dem Papier sieht der Vorschlag gut aus. Eine internationale Truppe soll eine Sicherheitszone im Norden Syriens schaffen, zur Deeskalation der Gewalt beitragen und eine Heimkehr von Flüchtlingen in dem Bürgerkriegsland ermöglichen. Russland und die Türkei sollen einbezogen werden. So lauten wichtige Punkte des Vorschlags der Bundesverteidigungsministerin und CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie will ihre Initiative dem westlichen Verteidigungsbündnis Nato vorschlagen - das AKK-Projekt steht aber vor hohen Hürden. 

Zunächst müssten sich westliche Länder mit den nötigen militärischen Kapazitäten zur Teilnahme verpflichten. Die Bereitschaft, Truppen in den Hexenkessel Syrien zu schicken, dürfte in den Hauptstädten Europas nicht sehr ausgeprägt sein. Die USA kündigten erst unlängst den Abzug ihrer Einheiten aus dem Nordosten Syriens an und ermöglichten den Einmarsch der Türkei.   

Auch völkerrechtlich wird kein Spaziergang auf AKK warten. Zunächst könnte die Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft herangezogen werden. Diese "Responsibility to Protect? wurde 2005 auf einem UN-Gipfel beschlossen. Darin verpflichten sich die Staaten, ihre eigene Bevölkerung vor extremen Verbrechen zu schützen: Völkermord, Kriegsverbrechen, den sogenannten ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 

Falls ein Staat nicht willens oder nicht fähig ist, seine Menschen vor diesen Gräueln zu bewahren, soll die Staatengemeinschaft einschreiten. Allerdings verläuft der Weg durch die UN, zumal durch den Sicherheitsrat. Das mächtigste UN-Gremium müsste ein internationales Eingreifen im Sinne der Schutzverantwortung beschließen. 

Der Sicherheitsrat könnte den AKK-Plan jedoch auch ohne Hinweis auf die Schutzverantwortung gutheißen. In jedem Fall aber ist es Aufgabe des Sicherheitsrates, dem Projekt der deutschen Verteidigungsministerin eine internationale Legitimierung zu geben. Nur der Sicherheitsrat kann völkerrechtlich ein Mandat erteilen - im Rat  sitzt jedoch die Vetomacht Russland. Ob Präsident Wladimir Putin weitere Truppen aus Nato-Ländern in Syrien akzeptieren würde, ist sehr fraglich. Wahrscheinlicher ist ein Nein aus Moskau.

Theoretisch könnte auch die Regierung Syriens ein Hilfeersuchen an willige westliche Staaten richten. An der Spitze dieser Regierung steht aber noch immer Präsident Baschar al-Assad. Dass ausgerechnet Assad, dessen Regime für Tod, Vertreibung und Elend verantwortlich ist, in Brüssel oder Berlin vorstellig wird, ist unwahrscheinlich.

Das Konzept von Schutzzonen für den seit 2011 tobenden Syrien-Krieg wurde in den vergangenen Jahren mehrfach präsentiert. So forderte 2018 die französische Verteidigungsministerin Florence Parly die Errichtung humanitärer Korridore, um Zivilisten einen Fluchtweg zu eröffnen. Durch diese Korridore könnten auch Versorgungslinien laufen. Später griff der damalige UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, das Konzept auf. Er bot an, persönlich in die Region Idlib zu reisen und beim Aufbau eines Korridors zu helfen. Doch zu langfristig stabilen Schutzzonen für Zivilisten in umkämpften Gebieten Syriens kam es nie. In den meisten Fällen blieb den Menschen nur die Flucht vor der Gewalt.

Das gilt besonders für die vier sogenannten Deeskalationszonen, auf die sich Russland, der Iran und die Türkei 2017 einigten. Eine dieser Zonen wurde im Raum Idlib errichtet. Die Provinz Idlib und angrenzende Gebiete im Nordwesten Syriens gelten als eine der letzten Bastionen von islamistischen Kämpfern. Doch die Streitkräfte Russlands und Assads, zumal deren Luftwaffen, nahmen die Region seit 2017 immer wieder unter Beschuss. Dabei trafen sie auch Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen. Sie verübten damit nach Aussage von UN-Mitarbeitern Kriegsverbrechen.