Högl fordert Priorisierung bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr

Mit der Zeitenwende haben sich auch die Aufgaben der Bundeswehr grundlegend geändert. Die Wehrbeauftragte fordert daher eine breite strategische Debatte über die Einsätze. Nicht mehr akzeptabel seien die Bedingungen in Mali.

Berlin (epd). Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, fordert infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eine groß angelegte strategische Debatte über die Einsätze der Bundeswehr. Es sei notwendig, eine gute Balance zu finden zwischen Bündnisverteidigung, Landesverteidigung und dem internationalen Krisenmanagement, sagte sie bei der Vorstellung ihres Jahresberichts am Dienstag in Berlin. Die Bundesregierung müsse nach der „Zeitenwende“ auch priorisieren, weil die Bundeswehr nicht alles könne.

Die Wehrbeauftragte betonte, die Truppe habe im vergangenen Jahr „von einem Tag auf den anderen vom Friedensmodus in den Bereitschaftsmodus schalten“ müssen. Gleichzeitig hätten die Streitkräfte von allem zu wenig, zu wenige Panzer, Boote oder Flugzeuge. Die Kasernen seien in einem erbärmlichen Zustand. Von dem Sondervermögen im Umfang von 100 Milliarden Euro sei 2022 noch kein Cent bei der Bundeswehr angekommen.

Mit Blick auf die Beteiligung deutscher Streitkräfte am Blauhelm-Einsatz in Mali sagte Högl, die Truppe warte darauf, dass im Bundestag eine Entscheidung getroffen werde. „Die Rahmenbedingungen sind nicht mehr akzeptabel“, sagte sie und nannte die schwierige Sicherheitslage sowie operative Probleme, etwa dass die Aufklärungsdrohnen Heron und Luna nicht mehr fliegen könnten und dass es schwierig sei, die Rettungskette zu gewährleisten. „Da sagen unsere Soldatinnen und Soldaten zurecht: Warum machen wir das hier noch.“ Auch die internationalen Partner zögen sich sukzessive zurück: die Franzosen, die Schweden, die Briten.

Die Bundesregierung hat im vergangenen November einen Abzug bis Ende Mai 2024 angekündigt. Der Bundestagsbeschluss dazu steht aber noch aus. Högl betonte, die Truppe warte auf die Entscheidung. Dass die Regierung den geordneten Rückzug plane, sei eine wichtige Botschaft.

In Mali behindern die regierenden Militärs die Arbeit der Blauhelm-Mission Minusma seit Monaten unter anderem mit Überflugverboten. Jüngst wurden sogar Flüge mit dem medizinischen Evakuierungsflieger „MedEvac“ kurzzeitig untersagt und die Rotationsflüge für das Personal ausgesetzt. Minusma gilt derzeit als die weltweit gefährlichste UN-Mission. Der Einsatz wurde im Jahr 2013 vom UN-Sicherheitsrat beschlossen und besteht derzeit aus gut 13.000 Soldaten aus mehr als 50 Ländern. Grund für die Mission war die Eroberung weiter Gebiete im Norden Malis 2012 durch mehrere bewaffnete Gruppen, darunter Islamisten.

Die Wehrbeauftragte ist nach Artikel 45b des Grundgesetzes als Hilfsorgan des Bundestags bei der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte tätig. Sie ist dabei weder Mitglied des Bundestags noch Beamtin. Die Wahrung der Grundrechte der derzeit mehr als 180.000 Soldatinnen und Soldaten gehört ebenfalls zu den Aufgaben. Einmal im Jahr legt sie dem Bundestag einen umfassenden Bericht vor.

In dem aktuellen Jahresbericht nimmt sie auch 17-jährige Bundeswehrangehörige in den Blick. So seien 2022 insgesamt 1.773 Jugendliche in dem Alter eingestellt worden. Das sei ein Plus von 43 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und entspreche 9,4 Prozent aller Dienstantritte in dem Jahr. Högl wies darauf hin, dass aktuell vom Verteidigungsministerium ein Konzept erarbeitet werde, wie diese Minderjährigen bis zum Erreichen der Volljährigkeit zunächst ohne Ausbildung an der Waffe in die Streitkräfte integriert werden könnten. Sie habe sich die Entwürfe angeschaut und sei „noch nicht so begeistert“. Sie forderte, die Einstellung von 17-Jährigen müsse der Ausnahmefall sein.