Hilfswerk beklagt Eskalation der Gewalt in Libyen

Berlin (epd). In Libyen erschwert nach Angaben humanitärer Helfer die zunehmende Gewalt die Bekämpfung der Corona-Pandemie. Besonders besorgniserregend sei der offenbar absichtliche Beschuss ziviler Ziele, erklärte das International Rescue Committee (IRC) am Freitag in Berlin. Die Organisation forderte dringend eine Waffenruhe. 

Bei Angriffen auf Wohnhäuser seien Anfang der Woche in Libyen fünf Menschen getötet und mindestens 28 verletzt worden. Beim Beschuss zweier Behelfskrankenhäuser seien fünf Sanitäter verletzt worden, einer sei bei einem weiteren Vorfall in seinem Krankenwagen getötet worden. Bis Freitag wurden in Libyen nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität 60 Corona-Infektionen und zwei Todesfälle erfasst.

Nach mehreren Angriffen ist laut IRC das Al-Khadra-Krankenhaus in Tripolis, das Corona-Verdachtsfälle versorgen konnte, nicht mehr voll einsatzbereit. Weitere vier Kliniken hätten den Betrieb einstellen müssen. "Nach vorherigen Schätzungen gingen wir davon aus, dass nur sechs Prozent der medizinischen Einrichtungen in Libyen zurzeit voll einsatzbereit sind", sagte der IRC-Landesdirektor für Libyen, Tom Garofalo. "Aufgrund der jüngsten Kämpfe ist die Zahl inzwischen wohl noch kleiner geworden."

Die bis zu 700.000 Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchenden in Libyen leben den Angaben zufolge vor allem in dicht bevölkerten Städten und haben zumeist keinerlei Zugang zu Gesundheitsversorgung. Beim Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, seien in diesem Jahr bereits mindestens 3.200 Menschen abgefangen und nach Libyen zurückgebracht worden, wo ihr Schicksal ungewiss sei.

Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte am Dienstag zunehmende Kampfhandlungen in Libyen beklagt. Die Bundesregierung sei daher intensiv im Gespräch mit Konfliktparteien in Libyen, aber auch mit den Nachbarstaaten. Maas verwies auf den Aufruf von UN-Generalsekretär Antonio Guterres zu einem globalen Waffenstillstand wegen der Corona-Pandemie.

Die neue europäische Marinemission "Irini" soll mit Beteiligung der Bundeswehr ein Waffenembargo gegen Libyen überwachen. In dem arabischen Land kämpfen Truppen und Milizen der von den UN anerkannten Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch gegen Einheiten des Rebellengenerals Chalifa Haftar. 

Bei einer Libyen-Konferenz im Januar in Berlin hatten sich internationale Akteure verpflichtet, sich nicht mehr in den Konflikt einzumischen. Bei Libyen-Gesprächen unter UN-Vermittlung wurde im Februar vereinbart, einen Entwurf für eine Waffenstillstandsvereinbarung zu erarbeiten.