Gefährlicher Einsatz in der Wüste

Gao (epd). Bei Erwin H. im Feldlager der Bundeswehr in Mali herrscht Hochbetrieb. In aller Frühe baut der Mechaniker des Fuhrparkservices einen Container als weiteres Ersatzteillager zusammen. "Schließlich muss ich bald deutlich mehr Fahrzeuge betreuen", sagt er und beugt sich wieder über seine Flex. Camp Castor liegt in der ostmalischen Stadt Gao am Rande der Sahara - Dornenbüsche auf trockener Erde soweit das Auge reicht.

Rund 580 deutsche Soldaten sind im Rahmen der UN-Mission Minusma im Einsatz. Ihre Aufgabe ist die Aufklärung für die gesamte Mission. Die Obergrenze des Bundeswehrmandats liegt derzeit bei 650 Soldaten, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) möchte sie jedoch auf 1.000 Männer und Frauen aufstocken. Das Kabinett wird voraussichtlich am Mittwoch darüber beraten, ab dem 20. Januar befasst sich der Bundestag damit.

Die Minusma ist die gefährlichste UN-Mission weltweit. Die rund 12.000 Bewaffneten sollen die Bevölkerung in Nordmali schützen und bei der Stabilisierung des Landes helfen. Unter anderem sollen sie der malischen Regierung helfen, ein Friedensabkommen umzusetzen, das schon im Juni 2015 unterzeichnet wurde. Doch entgegen allen Zeitplänen wurde bislang fast nichts davon auch nur in Angriff genommen. Gewaltsame Auseinandersetzungen sind an der Tagesordnung.

Die Bundeswehr beteiligt sich darüber hinaus mit bis zu 300 Soldaten an einem Einsatz der EU. Durch die Ausbildungs- und Trainingsmission EUTM wollen die Europäer die malische Armee langfristig in die Lage versetzen, ihr Land selbst zu verteidigen.

Die politische Krise in Mali begann 2012 mit dem Aufstand der Tuareg-Miliz MNLA. In der Folge geriet der Norden des Landes unter die Kontrolle von Aufständischen und bewaffneten islamistischen Gruppen. Ein Eingreifen der französischen Armee stoppte Anfang 2013 den Vormarsch der Islamisten auf die Hauptstadt Bamako. Die UN-Soldaten folgten wenige Monate später.

Neben der Aufklärung soll die Bundeswehr ab März in Gao auch die Verantwortung für die Rettungskette der Soldaten übernehmen. Angesichts der Größe Malis - das Land ist drei Mal so groß wie Deutschland - und der schlechten Infrastruktur sind dafür Hubschrauber nötig. Anders lässt sich nicht sicherstellen, dass jeder verwundete Soldat innerhalb von einer Stunde in einem Krankenhaus ist. 

Vier Rettungshubschrauber und vier Kampfhubschrauber für deren Begleitschutz sollen nach Gao verlegt werden. So sind zusätzliche Soldaten für den Betrieb, eine Flugfeuerwehr und die Erweiterung des Sanitätsbereichs nötig. Zudem sollen zwei weitere Drohnen in Gao eingesetzt werden, auch das erfordert mehr Personal. Die Heron 1 ist seit November im Einsatz.

Am Nachmittag treffen sich diejenigen, die gerade keinen Dienst haben, zur wöchentlichen Truppeninformation in der "Bar" von Camp Castor. Oberstleutnant Michael Hoppstädter, Kontingentführer des deutschen Kontingents, informiert die Soldaten über die Erweiterung des Camps von 900 auf etwa 1.200 Mann. "Ich weiß, dass der eine oder andere sich Gedanken macht, wie das mit Trinkwasser aussehen soll." Schon jetzt ist Wasser knapp, die Soldaten dürfen nur zwei Minuten pro Tag duschen. "Wir arbeiten an Lösungen", versichert Hoppstädter in der "Bar", in der es Kickertische und Dartscheiben, aber keinen Alkohol gibt. Neben den Deutschen leben vor allem Niederländer in Camp Castor.

Major Michael Z., der Stabsoffizier für die "Kampfmittelabwehr", informiert über die Ereignisse der vergangenen Woche: eine lange Liste von Sprengstoffanschlägen auf Soldaten der malischen Armee und der Vereinten Nationen, von Angriffen auf Kontrollposten und Kämpfen zwischen bewaffneten Gruppen. Außerdem haben sich wieder neue bewaffnete Gruppen gebildet. "Es ist schwer, den Überblick zu behalten, räumt Major Z. ein. 

Das aber ist die Aufgabe der Deutschen: dem Kommandeur der Minusma ein Lagebild darüber zu verschaffen, wo Terroristen die Bevölkerung infiltrieren, welche Gruppen mit der Regierung kooperieren, welche das Friedensabkommen unterlaufen. "Es ist schwer, mit gut 500 Soldaten ein Gebiet aufzuklären, das drei Mal so groß ist wie Deutschland", sagt Kontingentführer Hoppstädter.

Die Mission in Mali ist gefährlich, das wissen die Soldaten. "Die Anschläge erinnern uns wieder daran, wo wir sind", sagt Hoppstädter den versammelten Männern und Frauen. "Bislang hatten wir noch keinen Sprengstoffanschlag, aber das kann jederzeit passieren." Bis Oktober wurden 70 UN-Soldaten im Einsatz getötet, mehr als bei allen anderen UN-Missionen.

Hoppstädter hält den deutschen Einsatz dennoch für sinnvoll. Aber er sagt auch: "Militärisch wird man die Lage in keinem Krisenstaat jemals lösen können." Die zivile und damit politische Komponente der Mission sei ebenso wichtig. Sie soll dabei helfen, dass aus dem Papier, das im Juni 2015 unterzeichnet wurde, tatsächlich ein Fahrplan zum Frieden wird.