Friedensnobelpreis für Journalisten aus den Philippinen und Russland

Oslo, Frankfurt a.M. (epd). Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an zwei Journalisten für ihren mutigen Kampf für die Meinungsfreiheit. Geehrt werden die Philippinin Maria Ressa und der Russe Dmitri Muratow. Die 58-jährige Ressa verteidige die Meinungsfreiheit in einem zunehmend autoritärer werdenden Land, sagte die Vorsitzende des Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen. Der 59 Jahre alte Muratow setze sich seit vier Jahrzehnten für freie Meinungsäußerung in Russland ein. Die Vereinten Nationen, die EU, die Bundesregierung und Journalistenverbände begrüßten die Wahl. Deutlich kühlere Glückwunsche kamen aus Moskau.

Reiss-Andersen sagte, Muratow und Ressa würden auch in Vertretung aller Medienschaffenden ausgezeichnet, die für das Ideal der freien Meinungsäußerung einstehen in einer Welt, in der Demokratie und Pressefreiheit mit zunehmenden widrigen Bedingungen konfrontiert seien. Faktenbasierter Journalismus sei unerlässlich, um die Öffentlichkeit zu informieren und damit Gesellschaften vor Kriegen und Konflikten zu schützen.

Maria Ressa ist Mitbegründerin und Chefin der Online-Nachrichtenseite „Rappler“, die in dem südostasiatischen Land investigativen Journalismus betreibt. „Ressa hat sich als furchtlose Verteidigerin der Meinungsfreiheit erwiesen“, hieß es zur Begründung. Der „Rappler“ fokussiere seine Berichterstattung auf die tödliche Anti-Drogen-Kampagne von Präsident Rodrigo Duterte, deren Opferzahl so hoch sei, dass sie einem Krieg gegen die eigene Bevölkerung gleichkomme.

Dmitri Muratow gehörte 1993 zu den Gründern der Zeitung „Nowaja Gaseta“, deren Chefredakteur er von 1995 bis 2017 war. Sie sei eine der wichtigsten unabhängigen Zeitungen in Russland, erklärte die Komitee-Vorsitzende. Seit der Gründung seien sechs dort angestellte Journalistinnen und Journalisten getötet worden, darunter die 2006 ermordete Anna Politkowskaja. „Trotz der Drohungen und Gefahren hat Muratow immer an der Unabhängigkeit seiner Zeitung festgehalten“, hieß es.

UN-Generalsekretär António Guterres schrieb auf Twitter, die Auszeichnung erinnere daran, dass keine Gesellschaft frei sein könne ohne Journalisten, die Missstände aufdeckten und die Mächtigen mit der Wahrheit konfrontierten. Die Pressefreiheit sei essenziell für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenrechte. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte begrüßte die Auszeichnung ebenfalls.

Auch Spitzenpolitiker der EU gratulierten Ressa und Muratow. Demokratie und Frieden würden ohne mutige Journalisten nicht funktionieren, erklärte der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli. Laut EU-Ratspräsident Charles Michel ist die Auswahl der Preisträger „ein wichtiges Signal für die Pressefreiheit - einen europäischen Kernwert“. Der EU-Außenbeaufragte Josep Borrell urteilte, der Einsatz der beiden sei entscheidend, um die Meinungsfreiheit zu sichern.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte, die beiden Ausgezeichneten kämpften unter großer persönlicher Gefahr für einen freien öffentlichen Diskurs. „Ihre Arbeit verdient jede Anerkennung, und keine wäre angemessener als der Friedensnobelpreis.“ Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, sagte die Pressefreiheit sei eine der Voraussetzungen der Demokratie. Die Auszeichnung möge für alle eine Ermutigung sein, die sich, wo immer auf der Welt, für die Freiheit in Wort und Bild einsetzen.

Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“, die als Mitfavorit für den Preis gehandelt worden war, erklärte, die Auszeichnung Ressas und Muratows sei eine „großartige, starke Botschaft im gemeinsamen Kampf für die Pressefreiheit und den Journalismus“. Der Deutsche Journalisten-Verband erklärte, die Wahl sei eine Ohrfeige ins Gesicht aller Autokraten.

Glückwunsche erreichten den russischen Preisträger Muratow auch aus seiner Heimat - wenn auch deutlich zurückhaltender. Muratow bleibe seinen Idealen verbunden, er sei mutig und talentiert, erklärte Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow. Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte ließ die Auszeichnung Ressas bis Freitagnachmittag unkommentiert.

Der Friedensnobelpreis ist in diesem Jahr mit zehn Millionen Schwedischen Kronen (über 980.000 Euro) dotiert. Er wird traditionell am 10. Dezember vergeben, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel (1833-1896). Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen.

Die Preisträger:

Es regnete Glückwünsche in den sozialen Netzwerken, kaum war die Auszeichnung der philippinischen Journalistin Maria Ressa mit dem Friedensnobelpreis bekanntgeworden. „Danke, Maria, du machst uns so stolz“, „Die Wahrheit triumphiert“ und „Kämpfe den guten Kampf weiter“, heißt es dort. Ihre Unerschrockenheit und ihr investigatives Gespür haben Maria Ressa schon vor langer Zeit prominent gemacht: Sie und das von ihr 2012 mitgegründete Nachrichtenportal „Rappler“ decken Machtmissbrauch, Korruption und staatliche Gewalt in dem südostasiatischen Land auf. Insbesondere gilt die frühere CNN-Journalistin als eine der schärfsten Kritikerinnen des umstrittenen Präsidenten Rodrigo Duterte.

In diesem Jahr ehrt das norwegische Nobelkomitee die 58-Jährige gemeinsam mit ihrem russischen Kollegen Dmitri Muratow. Beide kämpften auf couragierte Weise für die Meinungsfreiheit in ihren Ländern, sagte die Komitee-Vorsitzende Berit Reiss-Andersen am Freitag in Oslo. Der „Rappler“ fokussiere seine Berichterstattung auf die tödliche Anti-Drogen-Kampagne Dutertes, deren Opferzahl so hoch sei, dass sie einem Krieg gegen die eigene Bevölkerung gleichkomme. Ressa und das Portal dokumentierten zudem den Einsatz sozialer Medien gegen Regierungskritiker.

Gegen Maria Ressa hat der philippinische Staat etliche Gerichtsverfahren angestrengt, unter anderem wegen „Verleumdung im Internet“. Ausführlich hat ihr investigatives Nachrichtenportal die massiven Gräuel in dem von Duterte Mitte 2016 initiierten „Anti-Drogen-Krieg“ dokumentiert. Menschenrechtler schätzen, dass dabei bis zu 30.000 Menschen ermordet wurden. Duterte beschimpfte Ressa als „Betrügerin“ und drohte mehrfach, „Rappler“ dichtzumachen, indem er behauptete, das Nachrichtenportal befinde sich vollständig im Besitz von Amerikanern. Der Friedensnobelpreis für Ressa ist nicht zuletzt ein Schlag ins Gesicht für Duterte und seinen brutalen Führungsstil.

Dass sie für ihren Einsatz viel riskiert, spiegelt sich auch immer wieder in weltweiten Solidaritätsbekundungen für die zierliche Journalistin mit Kurzhaarschnitt und Brille. Unter dem Hashtag #HoldTheLine haben Journalistenverbände, Bürgerrechtsorganisationen und Schriftsteller im vergangenen Jahr eine Kampagne für Ressa und andere kritische Medien auf den Philippinen gestartet. Im Juli 2020 ernannte sie der Autorenverband PEN Deutschland zum Ehrenmitglied. Das US-Magazin „Time“ kürte sie zusammen mit anderen Reportern 2018 zur „Person des Jahres“.

Unter welchen Bedingungen Ressa und ihre Kolleginnen und Kollegen im Inselreich arbeiten, belegen Zahlen: Auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ rangieren die Philippinen auf Platz 138 von 180. Schon lange gilt das Inselreich als eines der gefährlichsten Länder für Journalisten weltweit. Seit dem Sturz des Diktators Ferdinand Marcos 1986 wurden laut Nationaler Journalisten-Gewerkschaft (NUJP) mindestens 189 Reporterinnen und Reporter ermordet. Nur äußerst selten werden die Täter ermittelt.

Wiederholt erklärte Ressa, sie werde auch in Zukunft gegen jeden Angriff auf die Pressefreiheit kämpfen. Was die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis für sie persönlich bedeute, wurde sie am Freitag gefragt. Ressa lachte, legte die Hände aneinander und sagte dann schlicht: „Weitermachen mit dem, was wir bisher getan haben“. Es werde zwar immer Konsequenzen geben, wenn man eine Geschichte mache, die jemand nicht möge. Aber: „Ich denke, unsere Öffentlichkeit hat erkannt, dass Rappler diese Geschichten weiter erzählen wird.“

„Das ist nicht mein Preis“, kommentierte der Journalist Dmitri Muratow am Freitag die überraschende Entscheidung des norwegischen Nobelkomitees. Der Friedensnobelpreis sei vielmehr eine Auszeichnung für alle Journalisten der Moskauer „Nowaja Gaseta“ - und insbesondere für die sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Blattes, die seit den 1990er Jahren gewaltsam ums Leben gekommen seien. Alle, die ihm auf dem Redaktionsflur entgegenkämen, sollten sich wie Nobelpreisträger fühlen.

Muratow und die philippinische Journalistin Maria Ressa erhalten die Auszeichnung als Anerkennung für ihre Rolle beim Kampf um die Meinungsfreiheit. Muratow amtiert seit über 25 Jahren mit einer kurzen Unterbrechung als Chefredakteur einer der wenigen offen regierungskritischen Zeitung Russlands. In dieser Zeit habe er sich unter immer schwierigeren Bedingungen für die Pressefreiheit eingesetzt, heißt es in der Würdigung durch das Nobelpreiskomitee.

Die für ihre zahlreichen Investigativberichte über Tabuthemen wie Korruption und Polizeigewalt bekannte „Nowaja Gaseta“ wäre ohne den stämmigen 59-Jährigen mit dem mittlerweile ergrauten Vollbart nicht denkbar. 1993 hatte der in der Millionenstadt Kuibyschew an der Wolga (dem heutigen Samara) geborene Journalist die Zeitung selbst mit einigen Kollegen des Massenblattes „Komsomolskaja Prawda“ gegründet, weil er mit der Politik seiner alten Redaktion unzufrieden war. Unter seiner Führung wurde die „Nowaja Gaseta“ trotz ihrer stets überschaubaren Auflage zu einer der meistzitierten journalistischen Adressen Russlands. Internationales Aufsehen erregten insbesondere die Texte der 2006 ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja aus dem Tschetschenienkrieg.

Muratow hatte in den 1990er Jahren selbst aus den Krisengebieten der zerfallenen Sowjetunion berichtet. Später war er zeitweise parallel zur Zeitungsarbeit auch als Fernsehmoderator aktiv und versuchte als Mitglied der sozialliberalen Jabloko-Partei weitgehend erfolglos, an der Vereinigung der zerstrittenen liberalen Opposition in Russland mitzuwirken. Für seine Arbeit als Chefredakteur der „Nowaja Gaseta“ erhielt er bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Preis der deutschen Lutherstädte „Das unerschrockene Wort“ und den Henri-Nannen-Preis.

„Morden und Drohungen zum Trotz hat Chefredakteur Muratow sich geweigert, die unabhängige Redaktionslinie seiner Zeitung zu ändern“, erklärte Berit Reiss-Andersen, Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees. Glückwünsche - wenn auch deutlich zurückhaltender - kamen sogar aus dem Kreml. Muratow bleibe seinen Idealen verbunden, er sei mutig und talentiert, erklärte Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow.

Hintergrund:

Die philippinische Journalistin Maria Ressa ist die 18. Frau, die den Friedensnobelpreis gewonnen hat. Mit dem ebenfalls ausgezeichneten russischen Journalisten Dmitri Muratow stehen dagegen 91 Männer in der Liste der Preisträgerinnern und Preisträger, seitdem die Auszeichnung 1901 zum ersten Mal vergeben wurde. Dabei dauerte es nur vier Jahre, bis es eine Gewinnerin gab: Die österreichische Pazifistin Bertha von Suttner war 1905 die erste Frau, die den Friedensnobelpreis erhielt.

Die nächsten beiden Preisträgerinnen kamen aus den Vereinigten Staaten. 1931 wurde die Feministin und Journalistin Jane Addams ausgezeichnet. 1946 folgte die Ökonomin Emily Greene Balch, die für ihre Arbeit in der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit geehrt wurde.

War der Preis in den ersten sieben Jahrzehnten seiner Vergabe hauptsächlich Männern vorbehalten, wurden in den 70er Jahren gleich drei Frauen ausgezeichnet: Betty Williams und Mairead Corrigan teilten sich 1976 den Preis. Sie hatten eine Friedensbewegung als Antwort auf den Nordirland-Konflikt gegründet. Drei Jahre später ging der Preis an die Nonne Mutter Teresa, die in Indien Kranke pflegte.

1982 wurde dann die Schwedin Alva Myrdal ausgezeichnet, die sich für Abrüstung einsetzte. Eine inzwischen umstrittene Preisträgerin ist Aung San Suu Kyi, die sich für eine gewaltlose Demokratisierung ihres Heimatlandes Myanmar einsetzte und dafür 1991 ausgezeichnet wurde. Wegen der Gewalt gegen die muslimischen Rohingya während ihrer Zeit als De-facto-Regierungschefin des südostasiatischen Landes verlangten Kritiker, ihr den Preis abzuerkennen.

Weitere Preisträgerinnen der 90er Jahre waren die guatemaltekische Menschenrechtsaktivistin Rigoberta Menchú Tum (1992) und die US-Amerikanerin Jody Williams (1997), die sich für ein Verbot von Landminen einsetzt. Die erste muslimische Preisträgerin ist die iranische Juristin, Richterin und Menschenrechtsaktivistin Shirin Ebadi (2003).

2004 wurde die kenianische Umweltschützerin und Frauenrechtlerin Wangari Maathai zur ersten afrikanischen Preisträgerin. 2011 gewannen die liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf, ihre Landsfrau Leymah Gbowee und die Jemenitin Tawakkol Karman die Auszeichnung: für ihren gewaltfreien Kampf für die Sicherheit von Frauen und Frauenrechte. Die pakistanische Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai (2014) ist die bislang jüngste unter allen Preisträgerinne und Preisträgern.