Friedensnobelpreis: Aktivistinnen und Gerichtshöfe sind Favoriten

Brüssel/Oslo (epd). Internationale Gerichte und Menschenrechtsaktivistinnen werden in diesem Jahr als die aussichtsreichsten Anwärterinnen auf den Friedensnobelpreis gehandelt. Fachleute räumen zivilgesellschaftlichen Akteuren die besten Chancen ein, in den Wettbüros setzt man auch auf verfolgte Politikerinnen und Politiker. 2023 gibt es nach Angaben des Nobelpreiskomitees 351 Kandidatinnen und Kandidaten für den Friedensnobelpreis. Die Zahl der Nominierten sei damit die zweithöchste seit der Preis vergeben wird. Demnach handelt es sich um 259 Personen und 92 Organisationen. Die Entscheidung verkündet das Komitee am Freitag, dem 6. Oktober.

Als Favoritinnen sieht der Leiter des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio, Henrik Urdal, die Journalistinnen und Aktivistinnen Narges Mohammadi und Mahbouba Seraj. Die inhaftierte Iranerin Mohammadi setzt sich für Frauenrechte und die Abschaffung der Todesstrafe ein. Seraj kehrte 2003 nach 26 Jahren im Exil in ihr Heimatland Afghanistan zurück, wo sie Überlebende von häuslicher Gewalt unterstützt und sich für die Bildung und Gesundheit von Kindern einsetzt. Für ihren Kampf für die Rechte indigener Völker haben laut Urdal auch die Philippinerin Victoria Tauli-Corpuz und Juan Carlos Jintiach aus Ecuador gute Chancen auf den Friedensnobelpreis.

In den Wettbüros werden dagegen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die mit Abstand besten Chancen eingeräumt. Der inhaftierte russische Politiker und Aktivist Alexej Nawalny, der ebenfalls inhaftierte uigurischen Wissenschaftler, Autor und Kritiker der chinesischen Regierung, Ilham Tohti, und die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja folgen auf Selenskyj. Für die Weltgesundheitsorganisation, den Internationalen Gerichtshof und den Internationalen Strafgerichtshof, beide mit Sitz in Den Haag, rechnet man in den Wettbüros ebenfalls mit realistischen Chancen.

Auch Henrik Urdal zählt den Internationalen Gerichtshof zu den Favoriten. Er fördere den Frieden durch internationales Recht - eine Errungenschaft, die im Testament von Alfred Nobel hervorgehoben werde. Auch der Internationale Strafgerichtshof, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte seien potenzielle Kandidaten. Der Vertreter Myanmars bei den Vereinten Nationen, Kyaw Moe Tun, sei als laute Stimme gegen den Militärputsch und die damit verbundene Gewalt in seinem Heimatland ebenfalls aussichtsreich.

Der Friedensnobelpreis wurde von dem schwedischen Chemiker und Industriellen Alfred Nobel (1833-1896) gestiftet. Der Erfinder des Dynamits widmete die Ehrung Verdiensten um Völkerverständigung, Abrüstung und Frieden. Zuletzt war er mit 10 Millionen schwedischen Kronen dotiert (gut 862.500 Euro). Traditionell wird der Preis am 10. Dezember in Oslo überreicht, dem Todestag Nobels. Im vergangenen Jahr wurden die russische Organisation Memorial, das Center for Civil Liberties aus der Ukraine und der belarussische Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki ausgezeichnet.