Friedensforscher: Wir brauchen mehr Verständnis füreinander

Osnabrück/Hamburg (epd). Der Hamburger Friedensforscher Götz Neuneck plädiert vor dem Hintergrund des Ukrainekonflikts für einen Dialog auch mit Staaten, die nicht alle westlichen Werte teilten. Der Ukrainekrieg habe deutlich gemacht, dass die wertebasierte Weltordnung auf der Grundlage des Völkerrechts und der UN-Konventionen nicht von allen Staaten akzeptiert werde, sagte Neuneck in Osnabrück in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Die Vorstellung Russlands und seiner Unterstützer ist aus westlicher Sicht eine konfrontative, gegen den Westen gerichtete Weltordnung.“

Die Orientierung an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Innenpolitik funktioniere in der Außenpolitik nicht automatisch ebenso, betonte Neuneck am Rande der internationalen Konferenz „Der Frieden der Zukunft“. Die deutsche und europäische Außenpolitik müssten viel stärker die Interessen anderer Staaten berücksichtigen. „Wir brauchen mehr Dialoge, mehr Verständnis füreinander. Auch mit Russland sollte es hinter den Kulissen Gespräche geben.“ Die Staaten des globalen Südens wie Brasilien und Indien, die anscheinend auf der Seite Russlands stünden, müssten ebenfalls Ziel intensiver Gespräch sein. Die Vereinten Nationen sehe er dafür in einer entscheidenden Rolle.

Dabei müssten auch deren regionalen Konflikte untereinander mit bedacht werden. Gleichzeitig zeigten der Klimawandel und die großen ökonomischen Unterschiede zwischen den Staaten, dass jederzeit neue Konflikte ausbrechen könnten. „Die Situation ist superkomplex und es gibt keine einfachen Antworten“, sagte der Professor am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg.

Um zu einem dauerhaften Frieden im Ukrainekonflikt zu kommen, kann es Neuneck zufolge nur Schritt für Schritt vorangehen. Ein robuster Waffenstillstand sei das erste Ziel. Dass es eindeutige militärische Sieger und Verlierer gebe, halte er für unwahrscheinlich. Die Ukraine und Russland müssten ihre Interessen und Bedingungen für eine Waffenruhe genauer definieren. Dann müsse sichergestellt werden, dass der Waffenstillstand auch dauerhaft eingehalten werde. „Dazu muss man im Hintergrund verhandeln, auch mit Russland. Dazu muss man Einfluss nehmen, nicht nur mit Waffenexporten.“

Der Experte für Rüstungskontrolle betonte, dass die westlichen Staaten und ihre Organisationen auch eigene Fehler und Versäumnisse aufarbeiten müssten. Auch Rüstungskontrolle und Abrüstung müssten in diesen langfristigen Prozess eingebunden werden. Deshalb sei es wichtig, dass sich Experten auf Tagungen wie in Osnabrück Gedanken machten über eine künftige weltweite Sicherheitsarchitektur.

Bei der Konferenz am Freitag diskutierten Wissenschaftler über Wege zu einer globalen Friedensordnung. Sie wurde unter anderem von der Universität, dem katholischen Bistum Osnabrück und der evangelischen Landeskirche Hannovers organisiert.