Friedensforscher: Anstieg weltweiter Rüstungsausgaben beschleunigt

Frankfurt a.M./Stockholm (epd). Die Rüstungsausgaben sind 2019 so stark angestiegen wie seit zehn Jahren nicht: So investierten die Staaten im vergangenen Jahr insgesamt 1.917 Milliarden US-Dollar (in etwa 1.783 Milliarden Euro) in ihre Streitkräfte, wie das Friedensforschungsinstitut Sipri am Montag in Stockholm mitteilte. Gegenüber 2018 war das ein Plus von 3,6 Prozent. Die Gesamtsumme entspricht einem Anteil von 2,2 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Verglichen mit dem Jahr 2010 war dies eine Erhöhung um 7,2 Prozent.

Die globalen Militärausgaben sind damit das fünfte Jahr in Folge gewachsen. Mit den größten Rüstungsetats standen die USA, China, Indien, Russland und Saudi-Arabien 2019 an der Spitze. Zusammen kamen sie auf 62 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben. Deutschland liegt im Ranking hinter Frankreich auf Rang sieben und rückte damit im Vergleich zu 2018 um zwei Plätze auf. Seit der globalen Finanzkrise 2008 habe sich der Trend zur Aufrüstung in jüngster Zeit beschleunigt, erklärten die Friedensforscher. Zugleich seien die Ausgaben des vergangenen Jahres die höchsten seit 1988. 

Die USA blieben mit Abstand das Land mit dem größten Budget für Militär- und Rüstungsgüter. Im Vergleich zu 2018 wuchsen die Investitionen Washingtons im vergangenen Jahr um 5,3 Prozent auf 732 Milliarden Dollar. Das entspricht einem Weltmarktanteil von 38 Prozent. Dahinter folgt China, dessen Ausgaben um 5,1 Prozent auf 261 Milliarden Dollar stiegen. Das Nachbarland Indien investierte in diesem Zeitraum 71,1 Milliarden Dollar in seine Streitkräfte, das war ein Anstieg um 6,8 Prozent. "Die Spannungen und Rivalitäten Indiens sowohl mit Pakistan als auch mit China gehören zu den wesentlichen Gründen für die erhöhten Militärausgaben", erklärte Sipri-Forscher Siemon Wezeman.

Auf Platz vier liegt Russland, das seine Rüstungsausgaben um 4,5 Prozent auf 65,1 Milliarden Dollar steigerte. Dagegen sanken die Investitionen Saudi-Arabiens um 16 Prozent auf etwa 61,9 Milliarden Dollar, und das trotz der Militäroperationen im Jemen und der Spannungen mit dem Iran. Dennoch belegt das Land Rang fünf.  

Deutschland gab im vergangenen Jahr dem Sipri-Bericht zufolge 49,3 Milliarden Dollar (etwa 45,8 Milliarden Euro) für Rüstung aus. Das war ein Plus von zehn Prozent. Einen solchen Anstieg verzeichnete 2019 sonst keines der 15 Länder, die das globale Ranking der Militärausgaben anführten. Dieser sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass Russland als zunehmende Bedrohung empfunden werde, sagte Sipri-Forscher Diego Lopes da Silva. Die Einschätzung teilten viele andere Nato-Staaten. Allerdings seien die Militärausgaben in Frankreich und Großbritannien relativ stabil geblieben. 

Unter den 15 Ländern sind sechs Nato-Mitglieder: Die USA, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Kanada. Sie stehen für 48 Prozent (929 Milliarden Dollar) der weltweiten Ausgaben. Insgesamt investierten die 29 Mitglieder des Militärbündnisses im vergangenen Jahr 1.035 Milliarden Dollar in ihre Streitkräfte. 

Für Teile Afrikas sind laut Sipri-Bericht bewaffnete Konflikte ein entscheidender Grund für erhöhte Militärausgaben. Insgesamt sei die Lage unbeständig: So steckte das westafrikanische Burkina Faso 22 Prozent mehr in Rüstung, der Nachbar Mali 3,6 Prozent und Kamerun 1,4 Prozent. Die Zentralafrikanische Republik gab 8,7 Prozent mehr für ihre Streitkräfte aus, die Demokratische Republik Kongo 16 Prozent und Uganda sogar 52 Prozent. 

In anderen Staaten des Kontinents beobachteten die Friedensforscher einen gegensätzlichen Trend: Im Tschad sanken die Ausgaben um 5,1 Prozent, in Nigeria um 8,2 Prozent und im Niger um 20 Prozent.

Angesichts der weltweit gestiegenen Rüstungsausgaben haben Vertreter der Friedensbewegung eine deutliche Trendwende hin zur Abrüstung insbesondere auch von Deutschland gefordert. Die Militärausgaben müssten jährlich um zehn Prozent zurückgefahren werden, erklärte das International Peace Bureau (IPB) am Montag in Berlin. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri sind die weltweiten Rüstungsausgaben 2019 um 3,6 Prozent auf 1.917 Milliarden US-Dollar (rund 1.783 Milliarden Euro) angestiegen und damit so stark wie seit zehn Jahren nicht. 

Besonders Deutschlands Anstieg bei den Rüstungsausgaben um zehn Prozent auf 49,3 Milliarden Dollar (etwa 45,8 Milliarden Euro) stieß auf Kritik. Die Entwicklung sei dramatisch, sagte die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler (Linke): "Deutschland ist Aufrüstungsweltmeister." Kein anderes der 15 führenden Länder bei den Rüstungsausgaben habe einen solchen Anstieg zu verzeichnen. 

Die Linkenpolitikerin forderte eine breite gesellschaftliche Debatte über die wachsenden Rüstungsausgaben Deutschlands. "Wir brauchen eine Vereinbarung über gezielte Abrüstungsschritte und die Umwidmung der Rüstungsmittel für Soziales, Entwicklung und Gesundheit", sagte Vogler. 

"Die Friedensbewegung muss wieder eine gesellschaftliche Breite entwickeln", forderte der frühere parlamentarische Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD). Angesichts großer globaler Herausforderungen wie der Erderwärmung aber auch den Folgen der Covid-19-Pandemie müsse sich die Friedensbewegung mit der Umwelt- und der Sozialbewegung zusammentun.