"Frauen in Schwarz" demonstrieren seit 30 Jahren für Frieden

Jeden Monat rollen sie ihre Transparente aus: Seit 30 Jahren demonstrieren die "Frauen in Schwarz" in Hamburg gegen Gewalt und Krieg. Irmgard Busemann ist seit der Gründung dabei und ist damit Teil einer weltweiten Bewegung.

Hamburg (epd). Andere Frauen in ihrem Alter lösen Kreuzworträtsel oder stricken. Gertrud Wellmann-Hofmeier (82), Irmgard Busemann (74) und ihre Mitstreiterinnen rollen Transparente aus und gehen auf die Straße. Jeden ersten Mittwoch im Monat demonstriert ihre Gruppe „Frauen in Schwarz“ gegen Gewalt und Krieg. Und das seit 30 Jahren. „Wir wollen uns nicht daran gewöhnen, dass Krieg ein Mittel der Konfliktlösung ist“, sagt Busemann, die sich mitten in der Hamburger Einkaufstraße für die einstündige Mahnwache bereit macht.

Zwischen Sale-Schildern und Leuchtreklame stehen an diesem Mittwoch 15 Frauen in einer Reihe und halten Regenbogen-Transparente mit Friedenstauben hoch. Alle tragen schwarze Trauerkleidung, um an die Opfer von Gewalt zu erinnern. Eine Frau aus der Gruppe hat für jede ein Stoffschild mit aufgedrucktem Logo genäht. Für jede Mahnwache wird ein Flyer gestaltet, der an Passanten verteilt wird. „Es ist eine friedliche, stille Demonstration“, erklärt Wellmann-Hofmeier. Vorher treffen sich die Frauen im Café und diskutieren aktuelle Themen. Für sie zählen Frauen in Kriegen zu den Hauptbetroffenen - als Geflüchtete, Opfer von Gewalt und auch danach, wenn seelisch belastete Männer zurückkehren.

An die Anfänge der „Frauen in Schwarz“ kann sich Busemann noch sehr gut erinnern. Es waren diese Nachrichten über den Krieg in Jugoslawien 1993, immer wieder wurde über Vergewaltigungen von Frauen als Kriegswaffe berichtet. Aus der eigenen Familiengeschichte weiß sie, was das bedeutet. „Verwandte wurden während des Zweiten Weltkrieges vergewaltigt“, sagt sie und streicht ihre kurzen grauen Haare zurück. Sie sei Christin, aber Beten reiche da einfach nicht. „Wir müssen auf die Straße“, findet Busemann. Mit anderen Hamburgerinnen gründete sie 1993 eine der ersten „Frauen in Schwarz“-Gruppen bundesweit.

Ihr Vorbild ist die „Women in Black“-Bewegung. Bereits 1988 begann die Mahnwachen von Israelinnen und Palästinenserinnen in Jerusalem, die sich gegen Menschenrechtsverletzungen durch israelische Soldaten in den besetzten Gebieten richteten. So wurden die ersten Mahnwachen in anderen Ländern in Solidarität mit der israelischen Gruppe gehalten, später kamen weitere soziale und politische Themen dazu. „Women in Black“ ist keine Organisation, sondern eine überparteiliche, nicht konfessionelle Bewegung mit geschätzt 10.000 Aktivistinnen auf der ganzen Welt. Deutschland zählte in den 90er-Jahren zwölf Gruppen, heute sind jedoch nur noch eine Handvoll aktiv. Neben Hamburg gibt es Mahnwachen in Freiburg, München, Bonn und Berlin.

Den Hamburger Frauen gibt das internationale Netzwerk das gute Gefühl, nicht allein zu sein. Gerade jetzt. Angesichts des Krieges in der Ukraine und der breiten Zustimmung für Waffenexporte haben die Frauen mit Friedenstauben-Plakaten keinen leichten Stand. Zwischenfälle gab es jedoch noch nie. „Ich habe gelernt, Gesichter und Gesten zu lesen“, erzählt Wellmann-Hofmeier. Die meisten Passanten würden auf die Mahnwache positiv reagieren, ein Daumen hoch im Vorbeigehen, andere rufen schon mal „Ihr spinnt!“ oder diskutieren, warum es nur um Frauen gehe. Für die routinierten Aktivistinnen kein Problem, sie lassen sich nicht beirren. „Wir brauchen nicht mehr Waffen, sondern mehr Kommunikation“, sagt Wellmann-Hofmeier.

Die Mahnwache soll Menschen zum Nachdenken anregen, ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Konflikte nicht mit Krieg und Gewalt gelöst werden sollten. Die permanente Aufrüstung sei ein „Grundübel“ für Gewalt und auch Hunger in der Welt. Daran hat sich in den vergangenen 30 Jahren nichts geändert. „Leider“, bedauert Aktivistin Busemann. „Wir werden weiter auf die Straße gehen“, sagt die 74-Jährige und stopft das Transparent in ihren schwarzen Rucksack. Bis zum nächsten Mal.