Extremismus und Diskriminierung langfristig im Blick

Bielefeld (epd). Die Lage ist immer ernst, wenn der Konfliktforscher Andreas Zick als Experte in den Nachrichten zugeschaltet wird. Ob Ausschreitungen bei „Querdenker“-Demonstrationen, islamistische Terroranschläge oder Amok-Taten - der Forscher liefert Analysen und Erklärungen für die tiefer liegenden Ursachen. Dabei kann er auf zahlreiche Studien seines Instituts zurückgreifen. Das Interdisziplinäre Institut für Konflikt- und Gewaltforschung nimmt Radikalisierung, Gewalt, Extremismus und Populismus langfristig in den Blick. Vor 25 Jahren, am 18. Dezember 1996, wurde das fachübergreifende Institut an der Universität Bielefeld als bundesweit erstes seiner Art gegründet.

Die gesellschaftlichen Konflikte haben sich nach Einschätzung von Institutsleiter Zick seit der Gründung vor einem Vierteljahrhundert verändert - weniger oder ungefährlicher geworden sind sie jedoch nicht. Den Forschungen zufolge entstehen Radikalisierungen von Menschen mitten in der Gesellschaft. Mit der Corona-Pandemie sei Deutschland in neue Polarisierungen und Spaltungen der Gesellschaft geraten, und es haben sich neue Formen des Extremismus gebildet, sagt der 59-jährige Sozialpsychologe, der das Institut seit 2013 als Direktor leitet.

Mit den jährlichen repräsentativen Bevölkerungsbefragungen, seit 2002 mit der Reihe „Deutsche Zustände“ und den inzwischen weitergeführten „Mitte-Studien“, analysieren die Forschenden des Instituts wandelnde soziale Erfahrungen und politische Einstellungen in der Gesellschaft. Mehrfach haben sie frühzeitig problematische Entwicklungen thematisiert und dazu geforscht, wie Institutsgründer Wilhelm Heitmeyer sagt. Dazu gehörten etwa seit 1983 rechtsextremistischen Orientierungen bei Jugendlichen, dann 1984 die Forschung zu Gewalt in Fußballstadien sowie die Gründung des ersten Fanprojektes in Deutschland und 1995 die Forschungen zu islamistischen Einstellungen bei Jugendlichen.

Überregional bekannt wurde das von Heitmeyer entwickelte Konzept der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“. „Menschen geraten allein durch ihre Gruppenzugehörigkeit in die Abwertung, Diskriminierung und Gewalt hinein“, erläutert er. Es werde Ungleichwertigkeit von Menschen und Gruppen hergestellt.

Die Einschätzungen des Instituts werden inzwischen bei Ministerien, Einrichtungen und Medien geschätzt. So prägte das Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit unter anderem den 2018 von der Bundesregierung verabschiedeten Nationalen Aktionsplan Rassismus, Bundesprogramme wie „Demokratie Leben“ und es stand im alten wie neuen Koalitionsvertrag. Am Institut forschen nach Angaben der Universität heute insgesamt rund 80 Mitarbeitende.

Anlass für die Institutsgründung waren Anfang der 90er Jahre fremdenfeindliche Anschläge, etwa in Mölln und Solingen. „Das war für mich der Grund zu sagen: Da müssen wir jetzt nach unseren Einzelprojekten seit 1984 die Forschung auf Dauer stellen mit einem eigenen Institut“, sagt der 76-jährige Heitmeyer, der 17 Jahre der Direktor des Instituts war.

Die interdisziplinäre Ausrichtung durch die Zusammenarbeit von Erziehungswissenschaftlern, Soziologen, Historikern, Rechtswissenschaftlern und Psychologen zeichnet das Institut aus. Heitmeyer setzte zudem auf die gesellschaftliche Verantwortung einer „öffentliche Wissenschaft“: So sollten die Erkenntnisse in die Praxis vor Ort überführt werden. „Die Mitarbeitenden sind rausgegangen in die Institutionen und Einrichtungen“, erklärt der Soziologe, der auch nach seiner Emeritierung dem Institut in einer Forschungsprofessur verbunden bleibt.

Für die Amadeu Antonio-Stiftung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Zivilgesellschaft gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus zu stärken, ist das Bielefelder Institut ein unverzichtbarer Partner. „In vielen Gesprächen sind wichtige Ideen entstanden, konnten Analysen diskutiert werden und mit den Erfordernissen der Praxis abgeglichen werden“, sagte die Vorsitzende der in Berlin ansässigen Stiftung, Anetta Kahane.

Die Bilanz eines Vierteljahrhunderts der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen durch das Konfliktforschungsinstitut fällt durchwachsen aus. Trotz der gesellschaftlichen Dimension von Konflikten sei es nach wie vor schwierig, für Konflikt- und Gewaltforschung Unterstützung zu erhalten, sagt Zick. So gibt es für das renommierte Institut auch nach 25 Jahren keine gesicherte Finanzierung: Zu 80 Prozent finanziert es sich aus Drittmitteln der Wissenschaftsförderung.

Das Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) wurde vor 25 Jahren - am 18. Dezember 1996 - von dem Soziologen Wilhelm Heitmeyer gegründet. Heute forschen den Angaben nach insgesamt rund 80 Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Mitarbeiter an dem an der Universität Bielefeld angesiedelten Institut dazu, wie beispielsweise Diskriminierung, Extremismus und menschenfeindliche Orientierungen die Konflikte und Gewalt in der Gesellschaft prägen.

Mit den jährlichen repräsentativen Bevölkerungsbefragungen seit 2002 mit der Reihe „Deutsche Zustände“ und den inzwischen weitergeführten „Mitte-Studien“ analysieren die Forschenden des Instituts wandelnde soziale Erfahrungen und politische Einstellungen in der Gesellschaft. Erforscht wurden beispielsweise seit 1983 rechtsextremistischen Orientierungen bei Jugendlichen. Die Forschung zu Gewalt in Fußballstadien im Jahr 1984 führte zur Gründung des ersten Fanprojektes in Deutschland. Weitere Untersuchungen befassen sich mit islamistischen Einstellungen bei Jugendlichen sowie mit Prävention von Gewalt gegen Kinder.

Bundesweit bekannt wurde das vom Institut entwickelte Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, das unter anderem den 2018 von der Bundesregierung verabschiedeten Nationalen Aktionsplan Rassismus prägte. In der interdisziplinäre Einrichtung arbeiten Erziehungswissenschaftler, Soziologen, Historiker, Rechtswissenschaftler und Psychologen zusammen. Institutsleiter ist seit 2013 der Sozialpsychologe Andreas Zick.

Das Institut finanziert sich zu 80 Prozent aus Drittmitteln der Wissenschaftsförderung. Es ist eines der Teilinstitute im Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung an elf Standorten gefördert wird.

Das Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) hat sich bundesweit als eines der ersten Institute mit Extremismus und Ausgrenzung wissenschaftlich fachübergreifend befasst. Vor 25 Jahren - am 18. Dezember 1996 - wurde das bei der Universität Bielefeld angesiedelte Institut gegründet. Nachfolgend die wichtigsten Stationen seit der Gründung.

  • 18.12.1996: Das Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) wird von dem Soziologen Wilhelm Heitmeyer als Einrichtung der Universität Bielefeld gegründet
  • 16.04.1997: Feierliche Eröffnung des Instituts mit dem Symposium „Gesellschaftliche Entwicklungen, wissenschaftliche Verantwortung und Gewalt“
  • 2002: Institutsdirektor Wilhelm Heitmeyer veröffentlicht den ersten Band der Reihe „Deutsche Zustände“. In zehn Büchern präsentiert eine Forschungsgruppe jährlich bis 2012 die Entwicklung der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in Deutschland.
  • 2012: Das NRW-Wissenschaftsministerium ernennt das IKG zum „Ort des Fortschritts NRW“
  • 2013: Der Sozialpsychologe Andreas Zick wird vom Vorstand des Instituts zum neuen Direktor gewählt
  • 2014: Die Studienreihe zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wird als Mitte-Studie weitergeführt

. * 2016: Institutsdirektor Zick erhält den Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft

  • 2017: Das IKG wird Gründungsmitglied der Forschungsgemeinschaft des Deutschen Zentrums für Integration und Migration
  • 2020: Die Universität Bielefeld wird einer von elf Standorten des bundesweiten Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ). Das IKG koordiniert die Bielefelder FGZ-Forschung.