Experten mahnen Bedenkzeit in internationalen Konflikten an
Hannover (epd). Politiker werden laut Friedensaktivisten durch die gesellschaftliche und mediale Schnelllebigkeit oft zu voreiligen Entscheidungen in internationalen Konflikten gedrängt. Aktuelle Fälle bestätigten dies, sagte die langjährige Bundestagsabgeordnete Ute Finckh-Krämer (SPD) am Mittwochabend in Hannover: "Man erwartet immer sofort eine Reaktion von der Politik." Meist seien Entscheidungen falsch und Korrekturen blieben häufig aus, da Politiker nicht als wankelmütig kritisiert werden wollten. Finckh-Krämer, die in der Friedensbewegung aktiv ist, sprach bei einer Podiumsdiskussion im evangelischen Haus kirchlicher Dienste zu den Möglichkeiten ziviler Konfliktlösung.
Allein in den vergangenen zwei Wochen habe die Bundesregierung in Konfliktlagen zweimal überhastet und falsch reagiert, kritisierte Finckh-Krämer. Sie bezog sich damit auf den Anschlag auf den russischen Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter in Großbritannien sowie auf den vermeintlichen Giftgasangriff in der syrischen Stadt Duma. In beiden Fällen hatte die Bundesregierung Russland verantwortlich gemacht. "Die Politik hätte besser die Analysen der zuständigen UN-Organisation OPCW abgewartet", unterstrich die Berliner Politikerin. Es sei wichtig in der Analyse von Konflikten die Perspektive aller Beteiligten einzunehmen, empfahl sie.
Auch Jochen Neumann, Geschäftsführer der friedenspolitischen Bildungsstelle "Kurve Wustrow", betonte, dass kurzfristige Reaktionen auf Konflikte - egal ob zivil oder militärisch - fast immer falsch seien. Die Eskalation von Konflikten deute sich meist lange vorher an. Selbst der Völkermord in Ruanda 1994 sei "keine Überraschung" gewesen. Bei einer Konflikteskalation sei es manchmal sogar besser erst die Lage genauer zu analysieren, um anschließend umso effektiver humanitär helfen zu können.
Militärisches Eingreifen bedeute nie eine Konfliktlösung, sondern unterbinde bestenfalls andauernde Waffengewalt, erläuterte Neumann. Deutsche Politiker sollten sich öffentlich stärker für zivile Konfliktbearbeitung statt für eine Erhöhung des Rüstungshaushaltes einsetzen: "Das müsste die Lehre aus der deutschen Geschichte sein."