Ex-Außenminister Spanta: Lage für Afghaninnen ist "eine Hölle"

Aachen, Köln (epd). Der frühere afghanische Außenminister Rangin Spanta hat das Leben von Frauen in Afghanistan als „Hölle“ bezeichnet. Seit der Machtübernahme Mitte August komme es tagtäglich zu systematischer Diskriminierung, Folterung und Ermordung von jenen, die „gegen den Lebensentwurf der Taliban sind“, sagte Spanta dem Deutschlandfunk am Donnerstag. Der Politikwissenschaftler war zwischen 2006 und 2010 im Amt.

Frauen dürften ihre Berufe nicht ausüben, bekämen kein Gehalt, sagte Spanta. Trotzdem gebe es Frauen, vor allem in den Städten, die sich zur Wehr setzen: „Tagtäglich gibt es Demonstrationen von Frauen, die alle Bedrohungen, Folter und Prügeleien in Kauf nehmen, um ihre Rechte zu bewahren.“ Seit der Machtübernahme der Taliban dürfen Mädchen nur bis zur 6. Klasse in die Schule, sie haben ab dann kaum mehr Zugang zu Bildung, zudem ist es Frauen verboten, das Haus ohne männliche Begleitung zu verlassen. Das Frauenministerium und auch Zufluchtsorte für Frauen wurden geschlossen.

Die internationale Gemeinschaft habe Afghanistan „absichtlich ins Chaos geführt“, kritisiert Spanta. Auch Deutschland habe nach der Machtübernahme nicht genug getan, um ehemalige Ortskräfte und deren Familien zu evakuieren. „Es geht nicht nur bürokratisch. Man sollte einen breiteren Kreis an der Diskussion beteiligen und schnell handeln. Nicht immer rumsitzen, diskutieren und nichts tun“, forderte Spanta deshalb.

Gerne würde der in Aachen lebende Politikwissenschaftler in sein Heimatland zurückkehren. „Wenn ich eine auch nur geringe Überlebenschance in Afghanistan gehabt hätte, wäre ich dort geblieben“, sagte er. In den vergangenen Jahren hätten sowohl die Politik, aber auch die internationale Gemeinschaft Fehler gemacht, sagte er. Die Herstellung von Demokratie in Afghanistan sei kein Projekt, eher ein Prozess in einem jahrzehntelang von Krieg und Zerstörung heimgesuchten Land.