Evangelische Kirche uneins über Waffenlieferungen an die Ukraine

Düsseldorf, Bielefeld (epd). In der evangelischen Kirche gibt es unterschiedliche Positionen zu Waffenlieferungen an die Ukraine. Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, sprach sich am Donnerstag erneut dagegen aus und warnte vor eine weiteren Eskalation des Konflikts. Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus dagegen erklärte, die Menschen in der Ukraine, deren Städte zerbombt würden, bräuchten Hilfe, um sich zu verteidigen - auch Waffen.

„Wir können jetzt nur Frieden schaffen ohne Waffen“, sagte Kramer am Donnerstag im ARD-Morgenmagazin. Dabei gehe es nicht um das „selbstverständliche Recht“ der Ukraine auf Verteidigung. Es gehe um die Länder der Nato und der EU, „dass wir nicht in diesen Krieg kommen“, sagte der Theologe unter Verweis auf die Gefahr eines Einsatzes von Atomwaffen. Auf längere Sicht erscheine es ihm viel sinnvoller, Milliarden für den Wiederaufbau der Ukraine auszugeben als für Rüstungswaffen, „die uns nicht sicherer machen“.

Auch sie sei „zutiefst davon überzeugt, dass Waffengewalt keinen Frieden schaffen kann“, sagte Kurschus dem Bremer „Weser-Kurier“ (Donnerstag). Zugleich wäre es jedoch zynisch, aus einer relativ gesicherten Position heraus den Menschen in der Ukraine in ihrer unmittelbaren Bedrohung zum Verzicht auf Waffen zu raten. „Frieden schaffen ohne Waffen scheitert derzeit an einem Aggressor, der sich an keine internationalen Regeln hält und mit dem ein Vertrauensaufbau nicht möglich ist“, betonte die westfälische Präses.

„Unsere Friedensethik darf nicht zu einer steilen Ideologie werden, die wir anderen vorhalten, um selbst edel und gut zu bleiben“, warnte die Theologin. Die Kategorien „richtig“ und „falsch“ taugten nicht. „Es wird immer deutlicher auch in diesem Krieg: Ohne Schuld kommt da niemand raus, egal wie wir handeln oder nicht handeln und uns positionieren.“

Auch Kramer räumte ein, es sei in jedem Fall mit Schuld verbunden, wenn man sich für oder gegen Waffenlieferungen entscheide. „Wenn du nicht lieferst, unterlässt du Hilfeleistung. Wenn du lieferst, lieferst du direkt zum Töten“, sagte der EKD-Friedensbeauftragte.

Der rheinische Präses Thorsten Latzel erklärte, er halte Sanktionen und Waffenlieferungen für Hilfsmittel, um „die menschenverachtende, völkerrechtswidrige Gewalt“ Russlands in der Ukraine zu beenden. „Doch Waffen schaffen noch keinen Frieden“, betonte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland am Donnerstag in einem Brief zu Ostern unter anderem an die 643 rheinischen Gemeinden. „Sie hemmen nur schlimmere Gewalt, können eindämmen, verhüten.“

Der Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, Christian Heine-Göttelmann, mahnte, es sei „Aufgabe von Diakonie und Kirche, die Idee einer angstfreien und gewaltfreien Welt weiter in gesellschaftliche Debatten einzubringen“. Natürlich hätten die Menschen in der Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung, sagte der Theologe der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Donnerstag). „Aber auf die Frage, wie wir unsere Welt in Zukunft gestalten wollen, sollte Abschreckung nicht die einzige Antwort sein.“