Evakuierungen per "Luftbrücke" aus Afghanistan

Berlin (epd). Nach einem chaotischen Start kommt die Evakuierungsoperation internationaler Staaten aus Afghanistan allmählich voran. Bis Dienstagnachmittag waren mit zwei Evakuierungsflügen der Bundeswehr insgesamt 132 Menschen ins benachbarte Usbekistan gebracht worden. An Bord waren demnach Deutsche und Staatsbürger anderer Länder sowie Afghanen, die für deutsche Streitkräfte, Polizei oder Hilfsorganisationen gearbeitet haben und nun die Rache der radikal-islamischen Taliban fürchten.

Bei der Rettungsoperation ist unklar, wie viele Afghanen es überhaupt noch zu dem von internationalen Kräften gesicherten militärischen Teil des Flughafens schaffen werden. Außenminister Heiko Maas (SPD) zufolge gibt es für sie keine sicheren Wege. An den Kontrollstellen der Taliban in Kabul seien in den vergangenen Tagen zwar ausländische Staatsbürger durchgelassen worden. Für afghanische Ortskräfte, die etwa für Bundeswehr, Bundespolizei oder Entwicklungsorganisationen im Einsatz waren, gebe es keine derartige Zusage.

„Für sie ist die Lage deutlich gefährlicher“, sagte Maas. Man arbeite zusammen mit den USA und anderen Staaten an sicheren Wegen. „Wir wollen dafür sorgen, dass der Weg für Ortskräfte zum Flughafen ein möglichst sicherer wird“, fügte er hinzu, ohne ins Detail zu gehen.

Zwei Tage nach der Machtübernahme in Afghanistan zeigte sich die Taliban-Führung demonstrativ um Normalität bemüht. Bei einer Pressekonferenz in Kabul garantierte sie eine weitreichende Amnestie für Regierungsmitarbeiter, afghanische Soldaten sowie Ortskräfte der internationalen Truppen. Die Taliban wollten keine Rache, sagte der Sprecher der radikal-islamischen Gruppe, Sabihullah Mudschahid. Zudem könnten internationale Hilfsorganisationen ihre Arbeit in Afghanistan fortsetzen. Mit Blick auf die Rechte von Frauen sagte Mudschahid, sie würden innerhalb des Rahmens der Scharia geachtet. Frauen dürften weiter studieren, arbeiten und am öffentlichen Leben teilnehmen, etwa im Bildungs- und Gesundheitswesen.

Wie verlässlich die Versprechen sind, ist unklar. Zuletzt hatten sich Berichte über Menschenrechtsverbrechen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten gehäuft.

Am Flughafen von Kabul waren am Montag bei einem Ansturm verzweifelter Menschen und dramatischen Versuchen, sich an die startenden Flieger zu hängen, mindestens zehn Personen ums Leben gekommen. Am Dienstagmorgen räumten US-Soldaten Landebahn und Rollfeld. Maas erklärte am Nachmittag über Twitter: „Die Luftbrücke ist angelaufen und wird intensiv fortgesetzt, sofern die Sicherheitslage dies irgendwie zulässt.“

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bekräftigte, der Auftrag der Bundeswehr sei, so lange wie möglich so viele Menschen wie möglich auszufliegen. Sie äußerte die Hoffnung, die Luftbrücke bis in die nächste Woche halten zu können.

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wurde derweil ausgesetzt. Die deutschen und internationalen Beschäftigen der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit hätten sicher das Land verlassen, twitterte der Sprecher von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU).

Während sich mehrere Bundesländer auf den Zuzug von Flüchtlingen aus Afghanistan vorbereiten, wollte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zunächst mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) über mögliche Hilfen austauschen. Bei einem Gespräch mit UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi sollte es am Dienstag auch um Unterstützung in der Region gehen.

„Bevor man über Kontingente spricht, muss man erstmal über sichere Möglichkeiten für Flüchtlinge in der Nachbarschaft von Afghanistan reden“, sagte Merkel. In einem zweiten Schritt könne man darüber nachdenken, „ob besonders betroffene Personen kontrolliert und auch unterstützt nach Europa und in die europäischen Länder kommen“.