EU und UN erschüttert über mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien

Brüssel (epd). Die Europäische Union und die Vereinten Nationen haben sich erschüttert über einen mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien gezeigt. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sprach am Dienstag in Brüssel von Berichten über einen "fürchterlichen Angriff in Idlib, chemische Waffen, das schlimmste Kriegsverbrechen". Was am Dienstagmorgen geschehen sei, "ist fürchterlich", sagte der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura. Zuvor hatten sich die beiden am Rande einer internationalen Syrienkonferenz in Brüssel ausgetauscht.

Mogherini und de Mistura forderten, dass die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Zugleich nannten sie keine direkten Täter. Mogherini gab jedoch dem Regime von Präsident Baschar al-Assad offenbar zumindest eine Mitschuld. "Es gibt eine objektive Verantwortung für jedes Regime zum Schutz seiner eigenen Bevölkerung", sagte sie.

"Wir haben noch keine offizielle oder verlässliche Bestätigung", erklärte de Mistura. Seinem Verständnis nach habe es "einen chemischen Angriff" gegeben, "und er kam aus der Luft". "Was wir wissen ist, dass es furchtbar gewesen ist, was die Opfer angeht." Der Vorfall müsse untersucht werden, verlangte der UN-Sondergesandte und nannte die Organisation für das Verbot chemischer Waffen in Den Haag als mögliche Ermittlungsbehörde. Auch der UN-Sicherheitsrat werde sich wahrscheinlich damit befassen. 

Deutsche und internationale Medien hatten über den mutmaßlichen Angriff in der Provinz Idlib berichtet. Zum Teil beriefen sie sich dabei auf die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Auf deren Website war am Dienstag von einem "Massaker" im Süden Idlibs die Rede. Mediziner hätten der Beobachtungsstelle den Tod von mindestens 58 Menschen, darunter elf Kindern, bestätigt. Diese Zahl werde wegen der mehr als 160 Verletzten voraussichtlich noch steigen. 

"Die medizinischen Quellen und die Aktivisten der Beobachtungsstelle haben bestätigt, dass ein Viertel der Stadt Khan Shaykhun mit Material bombardiert wurde, von dem man annimmt, dass es sich um Gase handelt, die Ersticken und andere Symptome wie Auswurf beim Atmen, Zusammenziehen der Iris, Krämpfe und andere Symptome" hervorriefen, hieß es auf der Website.

De Mistura brachte das Geschehen direkt mit der Brüsseler Konferenz in Verbindung. "Jedes Mal, wenn die internationale Gemeinschaft in der Lage ist, zusammen zu sein - 70 Länder morgen - ist da jemand, der irgendwie versucht, das Gefühl der Hoffnung zu untergraben und ein Gefühl des Schreckens herzustellen", sagte der UN-Sondergesandte. 

Die zweitägige Konferenz, zu der die EU, die Vereinten Nationen, Deutschland, Kuwait, Katar, Großbritannien und Norwegen eingeladen hatten, sollte nach konkreten Hilfsmöglichkeiten für die Menschen in Syrien suchen. Das Ausmaß des Leidens erfordere mehr Handeln, sagte der für Krisenreaktion zuständige EU-Kommissar Christos Stylianides zum Auftakt. Als ein Hauptproblem wurde der Zugang von Helfern zur Zivilbevölkerung identifiziert. Jeder erinnere sich an Ost-Aleppo, das über Monate hinweg niemand von außen habe betreten können, sagte Stylianides. "Aber es gibt mehr Aleppos überall ganz Syrien."

Wenn es keinen Zugang für Helfer gebe, könnten auch die größten Hilfsgelder nichts ausrichten, sagte Stephen O'Brien, Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen. "In Ost-Aleppo hätten wir 100 Milliarden haben können - wir kamen nicht rein", beklagte O'Brien. Unicef lenkte die Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse von Kindern, für die 2016 "das schlimmste Jahr" im ganzen Syrienkonflikt war, wie Sprecherin Juliette Touma dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Dies lasse sich an der Zahl der direkt durch Kampfhandlungen getöteten Minderjährigen ablesen. Daneben stürben Kinder an Unterernährung und einfachen Krankheiten wie Bronchitis, sagte Touma.