Erneut Krankenhaus in Libyens Hauptstadt Tripolis bombardiert

Berlin/New York (epd). Die Lage im Kriegsland Libyen spitzt sich wegen der Corona-Pandemie dramatisch zu. Die Vereinten Nationen schlagen Alarm und warnen in einem gemeinsamen Appell verschiedener Hilfswerke, dass wegen der andauernden Kämpfe Covid-19 eine ernste Bedrohung für Gesundheit und Sicherheit aller Menschen darstelle. In der Hauptstadt Tripolis wurde in der Nacht zum Donnerstag erneut ein großes Krankenhaus von Granatsplittern getroffen.

Wie das UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe (Ocha) über den Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte, handelte es sich um die 17. Attacke auf Gesundheitseinrichtungen in diesem Jahr. Demnach schlug das Geschoss in das Zentralkrankenhaus der Hauptstadt ein, wo mehr als 5.000 Menschen arbeiten und 925 Patientenbetten stehen. Laut libyschen Medien wurden bei der Bombardierung mindestens 14 Menschen verletzt. 

Die Gewalt in dem Bürgerkriegsland verhindert auch die Bekämpfung der Corona-Pandemie. Anstatt sich um Covid-19-Patienten zu kümmern, müssen viele Krankenschwestern und Ärzte Kriegsverletzte behandeln. Vor einem Monat wurde ein Großkrankenhaus in Tripolis nach mehreren Bombardierungen geschlossen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden in Libyen bislang 64 Infektionen mit dem Coronavirus bestätigt, darunter sind drei Todesfälle. 

Die Vereinten Nationen befürchten eine dramatische Entwicklung. In einem am Mittwoch (Ortszeit) in New York veröffentlichten gemeinsamen Appell verschiedener UN-Organisationen heißt es, dass insgesamt rund 400.000 Libyer aus ihren Häusern vertrieben wurden, die Hälfte allein im vergangenen Jahr. Trotz wiederholter Rufe nach einer humanitären Waffenruhe dauerten die Kämpfe an und behinderten die Lieferung humanitärer Güter, beklagten die Hilfswerke. Im März 2020 seien 851 Behinderungen von Helfern und Hilfslieferungen im Land gemeldet worden.

Wegen der Corona-Pandemie mangele es in den meisten Städten an Grundnahrungsmitteln, erklärten die UN-Organisationen. Auch gebe es Meldungen, wonach Wasseranlagen angegriffen würden. Deshalb seien alle Konfliktparteien aufgerufen, die Wasserversorgung zu schützen. Gerade in der Pandemie gehöre das Händewaschen zu den grundlegenden Präventionsmaßnahmen. 

Trotz der Kämpfe wurden laut dem Schreiben seit Jahresbeginn mehr als 3.200 Menschen im Mittelmeer aufgegriffen und in das nordafrikanische Land zurückgebracht. Viele von ihnen landeten in einem von elf offiziellen Sammellagern für Flüchtlinge und Migranten, andere wiederum in inoffiziellen Camps, zu denen auch humanitäre Helfer keinen Zugang hätten. Unterzeichnet haben den Aufruf unter anderen UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock, der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, die Exekutivdirektorin des Kinderhilfswerks Unicef, Henrietta Fore, und WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. 

Nach dem Sturz des langjährigen Diktators Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 hatten in Libyen Milizen die Kontrolle übernommen und das Land mit zunehmenden Machtkämpfen ins Chaos gestürzt. Hauptakteure sind die von den UN anerkannte Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch und Rebellengeneral Chalifa Haftar, deren Truppen und Milizen gegeneinander kämpfen.

Im Januar hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin eine Libyen-Konferenz abgehalten, bei dem sich die am Konflikt beteiligten internationalen Parteien verpflichteten, sich nicht mehr in die inneren Angelegenheiten des ölreichen Landes einzumischen und das geltende Waffenembargo zu respektieren. Doch bis heute halten sich die Akteure weder an das Embargo noch an die Waffenruhe.