Entwicklungsorganisationen: Reform der humanitären Hilfe nötig

Berlin (epd). Das System der humanitären Hilfe weltweit ist nach Ansicht von Entwicklungsexperten den heutigen Herausforderungen nicht mehr gewachsen. Es müsse dringend reformiert werden, um auf bewaffnete Konflikte sowie Auswirkungen des Klimawandels schneller und flexibler reagieren zu können, teilte der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (Venro) am Mittwoch in Berlin mit. Oftmals würden schablonenartige Hilfspakete angeboten, die den tatsächlichen Bedürfnissen vor Ort zu wenig angepasst seien. Venro zufolge sind derzeit 83 Millionen Menschen regelmäßig auf humanitäre Hilfe für ihr Überleben angewiesen.

Vorstandsmitglied Inez Kipfer-Didavi erklärte, es sei notwendig, die Betroffenen, insbesondere auch Frauen und Jugendliche, in den Krisenregionen in Hilfsaktionen einzubeziehen und regionalen Hilfsorganisationen mehr Mitspracherechte zu gewähren. Zudem sei das System der humanitären Hilfe trotz steigender Zusagen vieler Geberländer weiterhin unterfinanziert, sagte sie. Innerhalb der vergangenen Jahre habe sich der finanzielle Bedarf vervierfacht. Demgegenüber hätten Geberländer ihre Zusagen nur verdoppelt. Erschwerend komme hinzu, dass oftmals viel Zeit vergehe, bis die Mittel vor Ort ankämen, sagte die Expertin.

Venro, eine Plattform von 125 humanitären und entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen, erhofft sich vom ersten Humanitären Weltgipfel in der kommenden Woche in Istanbul Weichenstellungen für eine Reformierung. In der Stadt am Bosporus werden mehr als 5.000 Teilnehmer erwartet, darunter Staats- und Regierungschefs, Nichtregierungsorganisationen, Vertreter der Privatwirtschaft und Betroffene aus Krisenregionen.

Der Gipfel sei der Beginn eines Prozesses, dem dreijährige Analysen auf allen Kontinenten vorangegangen seien, sagte Kipfer-Didavi. Bereits jetzt zeichne sich ein stärkerer Konsens ab, dass die Finanzierung und die Einbeziehung von Partnern in Krisenregionen verbessert werden müssten. Nach Angaben der Bundesregierung gebe es den Plan, den UN-Nothilfefonds auf eine Milliarde US-Dollar zu verdoppeln.

Eine bessere Finanzierung bedeute jedoch nicht nur mehr Geld, sondern auch vereinfachte Antragsverfahren für Projekte, erklärte Kipfer-Didavi. Die Chancen stünden gut, dass die Geber weniger Vorgaben machten, wohin die finanziellen Mittel konkret fließen sollen, sagte Kipfer-Didavi. Organisationen, wie etwa das Welternährungsprogramm, müssten sich zur Zeit noch nach strikten Vorschriften richten, einige Gelder nur für Wasserprojekte, andere Gelder nur in bestimmten Staaten zu verwenden. Auch die Laufzeiten für Hilfsprojekte sollten verlängert werden, um langfristiger planen und unterstützen zu können, sagte die Entwicklungsexpertin.

Der erste humanitäre Weltgipfel unterscheidet sich laut Venro grundlegend von anderen Großkonferenzen. Alle Akteure, vom Betroffenen bis zum Staatschef mischten sich ein. Andererseits sei aber keine regierungsbindende Abschlusserklärung, sondern bestenfalls Selbstverpflichtungen der Staaten zu erwarten. Die Bundesregierung stellte bereits in Aussicht, zahlreiche Selbstverpflichtungen zeichnen zu wollen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.