Entwicklungsminister Müller will Rückkehr Tausender Iraker fördern

Aachen/Bagdad (epd). Deutschland und der Irak haben eine Zusammenarbeit bei der Rückkehr von Flüchtlingen vereinbart, die in Deutschland keine Bleibeperspektive haben. "Ziel ist es, bis zu 10.000 Iraker aus Deutschland zu unterstützen, damit sie wieder Fuß fassen und sich etwas Neues aufbauen können", erklärte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Sonntag in Bagdad nach Gesprächen mit dem Vorsitzenden des irakischen Kabinetts, Medhi al-Allak, und Parlamentspräsident Salim al-Dschaburi.

Der Minister kündigte die Schaffung von Ausbildungsangeboten und Jobs an, in Kooperation mit irakischen Behörden und mit Unternehmen. Im kurdischen Erbil im Nordirak wollte Müller im Laufe des Sonntags ein Migrationsberatungszentrum für Rückkehrer und Vertriebene eröffnen. Ein weiteres ist in Bagdad geplant. Mit knapp 1,3 Milliarden Euro Hilfszusagen seit 2014, davon mehr als 700 Millionen Euro aus dem Entwicklungsetat, ist Deutschland nach Angaben des Ministeriums der zweitgrößte Geber des Irak.

Im Nordirak kommt der Aufbau zerstörter Dörfer und Städte nach der Vertreibung der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) allmählich voran. "In den christlichen Dörfern ist beim Wiederaufbau bislang am meisten passiert", sagte der Bamberger katholische Erzbischof Ludwig Schick, der die Region vor Kurzem besucht hatte, dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Christen sind von Natur aus hoffnungsvoll engagierte Menschen." 

Iraks Ministerpräsident Haider al-Abadi hatte am 9. Dezember 2017 den Sieg über den IS verkündet. Der Wiederaufbau wurde mit einer internationalen Konferenz eingeleitet, doch große Teile des Landes sind noch zerstört. "Häuser, Kirchen, Schulen - der IS hat seine brutale Wut an allem ausgelassen, was auch nur christlich, jesidisch oder schiitisch roch und vor allem an den Menschen", sagte Schick. 

Nach Angaben des katholischen Hilfswerks Misereor in Aachen ist etwa die Hälfte aller Christen in ihre Heimatorte im Nordirak zurückgekehrt. "Viele trauen dem Frieden aber nicht", sagte Misereor-Hauptgeschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon. "Die meisten haben noch ein Standbein in Erbil als eine Art Rückversicherung", fügte er mit Blick auf die gut geschützte Hauptstadt der kurdischen Region hinzu. Jeder Wiederaufbau geschehe zudem auf Eigeninitiative der Menschen. "Der Staat macht herzlich wenig."

Auch Erzbischof Schick kennt das Zögern der Christen. "Sie bauen ihre Häuser auf in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, würden aber ins Ausland gehen, wenn sich nicht bald die Situation ändert und bessere Lebensbedingungen entstehen", sagte der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn. Mit dem Vormarsch des IS vor fast vier Jahren hätten sich auch Muslime gegen ihre christlichen Nachbarn gestellt: "Ich habe Christen aus Mossul erlebt, die gesagt haben, sie gehen nie wieder dorthin zurück." Im Irak leben Schätzungen zufolge noch etwa 200.000 bis 500.000 Christen. Vor zehn Jahren waren es 1,2 Millionen. 

Im Sindschar-Gebirge, wo einst rund 500.000 Jesiden in ihrem Stammland lebten, ist die Situation nach wie vor verheerend. gibt es keine Schulen, keine Kliniken, keine Straßen mehr und kein fließend Wasser. Noch nicht einmal die Toten hätten begraben werden können, ihre Gebeine lägen zum Teil noch im Freien, sagte der Zentralratsvorsitzende Irfan Ortac. 

Ein Leben in Würde sei derzeit für Jesiden im Irak ohnehin nicht möglich. Alle Berufe, die mit Nahrungsmitteln zu tun hätten, wie Metzger, Bäcker oder Koch, müssten von Muslimen ausgeübt werden: "Jesiden gelten ihnen nicht als Halal und damit als unrein." Den Plänen von Entwicklungsminister Müller, die Rückkehr in den Irak zu fördern, begegnet Ortac denn auch mit Skepsis: "Die Menschen aus der Region kommen nicht wegen Jobs nach Deutschland, sondern weil sie politisch und religiös verfolgt werden."