Dreißigjähriger Krieg: Machtpolitik und Religionszwist eng verquickt

Münster (epd). Der Dreißigjährige Krieg, der vor 400 Jahren durch den "Prager Fenstersturz" am 23. Mai 1618 ausgelöst wurde, war nach Einschätzung der Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger eine komplexe Mischung aus politischem Machtstreben, Verfassungsstreit und konfessionellen Gegensätzen. Der Zwist zwischen Protestanten und Katholiken sei mit den Konflikten um die Vormachtstellung in Deutschland und um die Stellung der Fürsten gegenüber dem Kaiser "massiv verquickt" gewesen, sagte Stollberg-Rilinger in Münster dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Die Frage des Bekenntnisses spielte für die Herrschenden immer mit".

Wie alle Menschen damals seien auch die Fürsten sehr religiös gewesen. Religion war für sie demnach nicht bloß ein "zynischer Vorwand" für Machtpolitik: "Die Menschen haben an ihre jeweilige Wahrheit geglaubt", erläuterte die Wissenschaftlerin vom Exzellenzcluster Religion und Politik der Universität Münster. Andererseits sei es auch zu Bündnissen konfessionell verfeindeter Parteien gegen gemeinsame Gegner gekommen. So machten das evangelische Schweden und das katholische Frankreich zusammen Front gegen die Habsburger.

Auch die Bevölkerung deutete nach den Worten der Historikerin das Kriegsgeschehen stets religiös. Siege und Niederlagen galten als Strafe Gottes für den jeweiligen Feind oder die eigene Kriegspartei, Himmelserscheinungen wie Kometen seien als göttliche Drohungen aufgefasst worden. 

Der Westfälische Frieden, mit dem der verheerende Krieg 1648 endete, habe den konfessionellen Streit in Deutschland zwar nicht gelöst, diesen aber "auf den Rechtsweg" verwiesen, sagte die Professorin. Toleranz im modernen Sinne von Respekt und Verständnis für andere Religionen sei mit dem Friedensschluss jedoch nicht verbunden gewesen, sagte die Expertin für die Geschichte der Frühen Neuzeit: "Man wurde vielmehr genötigt zu ertragen, was man für ketzerisch hielt."

Der Frieden von Münster und Osnabrück sei damals allgemein als Wunder empfunden worden. "Die Menschen hielten es eigentlich für unmöglich, dass man aus der Sache je wieder herauskommt", erklärte Stollberg-Rilinger. Zwar könne man aus dem Westfälischen Frieden nicht unmittelbar etwas für heutige Konflikte lernen. Dass aber ein Friedensschluss in völlig aussichtslos erscheinender Lage dennoch möglich gewesen sei, könne ein ermutigendes Signal sein. 

Auch heute würden politische Konflikte und Kriege durch Religion "zusätzlich aufgeladen" - so etwa im Nahen Osten durch den Gegensatz zwischen den muslimischen Glaubensrichtungen der Schiiten und Sunniten, sagte die Professorin. Der Iran und Syrien präsentierten sich als Schutzmacht der Schiiten gegenüber den von Saudi-Arabien unterstützten Sunniten.

Auch im Streit zwischen Israel und den Palästinensern sei Politisches und Religiöses kaum zu trennen. Eine solche Verquickung mache Friedensschlüsse extrem schwer, erklärte Stollberg-Rilinger: "Bei der religiösen Wahrheit sind - anders als bei politischen Interessengegensätzen - Kompromisse oft kaum denkbar."