Die lange Geschichte der Gewalt im Westen Myanmars

Frankfurt a.M./Den Haag (epd). An diesem Donnerstag verkündet der Internationale Gerichtshof in Den Haag ein Urteil zur Verfolgung der Rohingya-Muslime in Myanmar. Der Vorwurf: Völkermord. Der Bundesstaat Rakhine (historisch bekannt als Arakan) im Westen Myanmars ist seit langem ein Schauplatz von Verbrechen. Die frühere Militärjunta ging brutal gegen die Rohingya-Minderheit vor, etwa mit der "Operation Drachenkönig" (1977/78) oder der "Operation Saubere und Schöne Nation" (1991/92). In der Folge flohen Hunderttausende Rohingya aus dem buddhistisch geprägten Myanmar nach Bangladesch, wo der Islam dominiert. 

Der Ultra-Nationalismus in Myanmar dient Hardlinern im Militär, unter buddhistischen Geistlichen und in der Politik bis heute dazu, Hetze und Hass zu verbreiten. Durch das Staatsbürgerschaftsgesetz von 1982 wurden die Rohingya, von denen viele seit Generationen in Rakhine leben, faktisch staatenlos.   

Der Rakhine-Staat, trotz Bodenschätzen eine der ärmsten Regionen des Landes, blieb ein Konfliktherd: 2012 weitete sich Gewalt zwischen Buddhisten und Muslimen zu Exzessen aus, bei denen offiziell mindestens 200 Menschen getötet und 140.000 vertrieben wurden, die meisten davon Rohingya. Im April 2013 warf die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" der damaligen Regierung unter Ex-General Thein Sein "ethnische Säuberungen" an den Rohingya vor. Manche sprachen bereits damals von einem "verdeckten Völkermord".   

Als die Rohingya-Miliz Arsa im Oktober 2016 und August 2017 Dutzende Polizeiposten überfiel, begann Myanmars Militär unter dem Vorwand eines "Anti-Terror-Kampfes" eine Offensive gegen die gesamte Rohingya-Bevölkerung. Mehr als 740.000 flohen seit Ende August 2017 nach Bangladesch. 

Während Armeechef Min Aung Hlaing die Massenflucht als "Rückkehr in deren angestammte Heimat" herunterspielte, dokumentierte die Organisation "Fortify Rights", dass Sicherheitskräfte bereits im Herbst 2016 Morde, Vergewaltigungen und Brandanschläge begangen hatten. Darüber hinaus seien Bewohnern in Rakhine Schusswaffen und Schwerter geliefert worden, um Rohingya zu attackieren. Myanmar hingegen wies die Anschuldigungen zurück.   

In einer Ansprache am 19. September 2017 behauptete Friedensnobelpreisträgerin und De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi, es habe seit dem 5. September 2017 keine Militäroperationen mehr gegeben. 2018 machte jedoch Amnesty International publik, wie auf Landstrichen niedergebrannter Rohingya-Dörfer neue Stützpunkte des Militärs, Unterkünfte und Straßen gebaut wurden, und sprach von einer "Militarisierung mit alarmierender Geschwindigkeit".   

Seit 2019 wird die Unruheregion von einem weiteren Konflikt erschüttert: Regierungstruppen führen Krieg gegen die buddhistischen Rebellen der "Arakan Army". Die 2009 gegründete Gruppierung kämpft für Selbstbestimmung in Rakhine. Menschenrechtler sprechen von staatlich sanktionierter Gewalt und beklagen Morde, Folter und Entführungen von Zivilisten, darunter Buddhisten, Muslime und Christen.