Die Hoffnung geschändeter Frauen

Bukavu/Tübingen (epd). An Ehrungen mangelt es Denis Mukwege nicht. Den Menschenrechtspreis der Vereinten Nationen erhielt der Arzt 2008, den Sacharow-Preis des Europäischen Parlament 2014. Und in diesem Jahr nun den Friedensnobelpreis gemeinsam mit der Jesidin Nadia Murad für den Kampf gegen sexuelle Gewalt. 

Lieber als Ehrungen wäre es ihm, wenn die Weltgemeinschaft der Gewalt gegen Frauen in seiner Heimat ein Ende setzte. Zur Methode der Rebellen, die sich bis heute in den Wäldern des Ostkongo verstecken, gehört die Vergewaltigung einer Frau durch acht bis zehn Männer - oft vor den Augen ihres Mannes, ihrer Kinder, ihrer Nachbarn. Zudem verletzen die Milizen ihre Opfer gerne zusätzlich, indem sie ihnen Gegenstände - etwa Gewehrläufe oder Messer - in die Scheide stecken. Die 19-jährige Nzumba Ngudyavita berichtet, wie Soldaten ihr nach der Gruppenvergewaltigung brennende Zweige in die Vagina einführten. Damit sollte auch erreicht werden, dass sie nie wieder Kinder bekommen würde. 

Hat eine Frau eine Vergewaltigung überlebt, geht der Leidensweg oft weiter. Ihre Verletzungen im Unterleib sind teilweise so schwer, dass sie ihre Ausscheidungsorgane nicht mehr kontrollieren kann. Ohne Operation bleibt sie ständig von einem Fäkalgeruch umgeben, der sie sozial isoliert. Viele werden durch den gewaltsam aufgezwungenen Sex schwanger und bekommen ein Kind, das in der regionalen Sprache als "Schlangenbrut" bezeichnet wird. 

In der Panzi-Klinik in Bukavu südlich des Kivu-Sees hilft der 63-jährige Gynäkologe Denis Mukwege den Opfern. Der Sohn eines pfingstkirchlichen Pastors wollte schon als kleiner Junge Arzt werden, als er seinen Vater bei Hausbesuchen begleitete und sah, dass der den Kranken zwar Gebete, aber keine Medizin geben konnte. In Frankreich studierte Mukwege in den 1980er Jahren Gynäkologie und kehrte dann wieder in den Ost-Kongo zurück. 

Seit Ausbruch des Krieges 1996 arbeitete er in Bukavu und wurde dort immer massiver mit dem Leid der vergewaltigten Frauen konfrontiert. Finanziert wird die medizinische Arbeit durch Hilfsgelder der Europäischen Union und schwedischer Organisationen. Fast 49.000 vergewaltigte Frauen wurden bis heute in der Panzi-Klinik operiert.

Oft wird eine betroffene Frau danach auch von ihrem Mann verstoßen, der sich sonst im Dorf dafür auslachen lassen muss, dass er seine Partnerin mit den Interahamwe, den Rebellensoldaten, geteilt habe. Eine HIV-Infektion als Folge der Vergewaltigung ist ebenfalls nicht selten. Die Rechnung der Milizen geht auf: Frauen, Familien, Dörfer werden durch diese Verbrechen nachhaltig zerstört. Hunderttausende Frauen sind nach UN-Schätzungen im Kongo geschändet worden. 

So schwierig es in vielen Fällen ist, die Opfer - viele davon noch im Teenageralter - körperlich wiederherzustellen, so kompliziert ist es auch, ihnen Zukunft zu geben. Wenn sie vom Ehemann verstoßen sind, können sie wirtschaftlich kaum durchkommen. Deshalb ist der Klinik ein Frauenzentrum angegliedert, das die Behandelten ausbildet und ihnen zeigt, wie sie mit handwerklichen Fertigkeiten ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Diesen Arbeitszweig unterstützt das Deutsche Institut für ärztliche Mission in Tübingen. Nicht selten nehmen die Ehemänner ihre Frauen nach der Ausbildung wieder an - weil sie den Vorteil sehen, den eine Erwerbstätige der ganzen Familie bringt. 

Die Heilungs- und Versöhnungsarbeit des engagierten Mediziners ist nicht bei Allen im Kongo wohlgelitten. 2012 wurde ein Attentat auf Mukwege verübt, vorübergehend musste der verheiratete Vater von fünf Kinder das Land mit seiner Familie verlassen. Doch danach praktizierte Mukwege wieder in seiner Klinik. Angebote, als Gynäkologe in Europa zu arbeiten, hat der bekennende Christ immer ausgeschlagen. Angesichts der Not in seinem Heimatland und der Tatsache, dass er Krieg und Attentat überlebt hat, sieht er sich in der Pflicht, den Menschen vor Ort zu dienen. "Wie könnte ich mich da in Europa niederlassen, wo mich eigentlich niemand braucht?"