Deutschland verlängert Rüstungsexportstopp nach Saudi-Arabien

Berlin (epd). Bis Ende September dürfen keine deutschen Waffen nach Saudi-Arabien geliefert werden. Die Bundesregierung verlängerte am Donnerstagabend den im Herbst 2018 beschlossenen Exportstopp, wie die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin mitteilte. In den kommenden sechs Monaten würden auch keine Neuanträge genehmigt. Sie bezeichnete die Einigung als "guten Kompromiss". 

Demmer zufolge dürfen deutsche Unternehmen aber Teile für gemeinsame europäische Rüstungsprojekte liefern, sofern die Partner die Rüstungsgüter nicht an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ausliefern. Die Regelung gilt bis Ende dieses Jahres. Die Opposition warf der Regierung vor, mit ihrer Entscheidung europäische Waffenexporte an Saudi-Arabien zu ermöglichen und forderte einen kompletten Rüstungsexportstopp.

Nach Berichten der Zeitungen der Funke Mediengruppe kommt die Bundesregierung mit dem Kompromiss besonders Frankreich entgegen: Das Nachbarland dürfe Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien ausliefern, die deutsche Bauteile in einem Gesamtwert von mehr 400 Millionen Euro umfassen. Die Zeitungen berufen sich auf Regierungskreise. Die Franzosen hätten Ausnahmen für zwölf gemeinsame Projekte gefordert, die Bundesregierung habe für fünf Projekte grünes Licht gegeben. Die Regierung wollte diesen Bericht nicht bestätigen. 

Sprecherin Demmer erklärte, Berlin werde sich bei den europäischen Partnern dafür einsetzen, dass gemeinsam produzierte Rüstungsgüter im Jemen-Krieg nicht zum Einsatz kommen. Den Unternehmen werde zur Auflage gemacht, gegenüber europäischen Vertragspartnern darauf zu bestehen, dass bis Ende des Jahres keine "endmontierten Rüstungsgüter" an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert werden. Unklar blieb, was geschieht, wenn es keine solche Zusagen gibt.

Deutschland hatte im November 2018 nach der Ermordung des kritischen Journalisten Jamal Khashoggi einen Rüstungsexportstopp für Saudi-Arabien verhängt. Die Bundesregierung verlangte eine umfassende Klärung des gewaltsamen Todes Khashoggis in der saudi-arabischen Botschaft in der Türkei. 

In den vergangenen Wochen wurde in der großen Koalition um diesen Stopp gerungen. Die Union verwies auf gemeinsame Rüstungsprojekte deutscher Unternehmen mit denen anderer europäischer Länder. Die SPD wollte am Exportstopp festhalten.

Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, kritisierte den Regierungsbeschluss. Die Bevölkerung werde getäuscht, sagte sie. Zwar bleibe die Lieferung von deutschen Booten und Lastwagen ausgesetzt. Doch werde durch den Beschluss die Fertigstellung von Tornados und Eurofightern für Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützt. Frankreich und Großbritannien hätten eine Auslieferung bereits angekündigt.

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock erklärte, es sei "absolut inakzeptabel", dass weiter deutsche und europäische Rüstungsgüter im Jemen-Krieg landen könnten. Sie sagte dem Berliner "Tagesspiegel" (Samstag): "Notwendig wäre ein kompletter Rüstungsexportstopp an Saudi-Arabien. Die Hintertür, die die Bundesregierung bei den Gemeinschaftsprojekten eingebaut hat, steht sperrangelweit offen."

Amnesty International Deutschland bezeichnete die Vereinbarung als "bestenfalls blauäugig". "Großbritannien und Frankreich werden sich kaum darauf einlassen, Exporte zurückzuhalten, wenn deutsche Zulieferungen erst mal erfolgt sind", erklärte die Organisation. Die Militärkoalition im Jemen-Krieg setzt laut Amnesty solche Waffen aus EU-Kooperationen ein. Dazu zählten unter anderem Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter, die von Großbritannien an die saudische Luftwaffe geliefert würden und in denen deutsche Komponenten verbaut seien.

Hilfsorganisationen forderten strenge Regeln für europäische Rüstungskooperationen. Ob europäische Waffen im Jemen-Krieg eingesetzt werden, lasse sich nicht kontrollieren. Im Jemen kämpfen die Regierung und eine Militärkoalition unter Führung von Saudi-Arabien gegen die Huthi-Rebellen, die vom Iran unterstützt werden. Seit März 2015 kamen rund 10.000 Menschen ums Leben, etwa 70.000 Menschen wurden verletzt.