Deutsches Dilemma in Mali: Was kommt nach dem Bundeswehrabzug?

Im Camp Castor in Mali wird schon bald der Abzug der Bundeswehr eingeleitet. Zwar bleiben auch weiterhin Blauhelme in Gao stationiert. Doch ob es sicher genug bleibt für die Entwicklungszusammenarbeit, ist offen.

Gao (epd). Am Nachmittag steigt das Thermometer auf 41 Grad Celsius. Die Container im Camp Castor sind geschützt durch sogenannte Hesco-Wälle, große Säcke gefüllt mit Sand und Gestein. Die Blauhelme der UN-Friedensmission Minusma operieren in der Stadt Gao, in Mali. Es weht eine heiße Brise, die den roten Sand überall hineinträgt, in die Container, in die Maschinen, in den Lauf der Gewehre.

Verteidigungsminister Boris Pistorius und Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (beide SPD) besuchen den Stützpunkt in einer Zeit, in der es heiß und trocken ist. Am Donnerstagmorgen landen sie mit einer Militärmaschine, nach wenigen Stunden ist die Abreise geplant. Im Mai, wenn die Regenzeit beginnt, wird es hier ganz anders aussehen. „Wenn es hier regnet, dann richtig“, sagt ein Bundeswehrsoldat, der bereits zum vierten Mal in dem westafrikanischen Land im Einsatz ist. Damit das viele Wasser dann ablaufen kann, ziehen sich tiefe Gräben durch das Camp.

Pistorius ist zum ersten Mal als Verteidigungsminister in der Sahelregion. Er ist angereist, um sich über den bevorstehenden Abzug der Bundeswehr zu informieren. In gut einem Jahr soll die deutsche Beteiligung enden. Der Minister spricht von einem „Dilemma“. Sicherheit und Entwicklung seien „zwei Seiten einer Medaille“, betont er. „Ohne Sicherheit keine Entwicklung und Sicherheit ohne Entwicklung nützt niemandem.“

Schulze schaut optimistischer in die Zukunft. Sie verweist darauf, dass Entwicklungszusammenarbeit in Mali seit über 60 Jahren betrieben werde. Sie werde auch nach dem Bundeswehrabzug weitergehen. Die Ministerin sagt: „Wir sind in 64 Ländern aktiv, in den meisten haben wir keine Unterstützung durch das Militär.“

Anders als Pistorius ist Schulze nicht hier, um etwas zu beenden. Sie will darüber sprechen, wie vor Ort noch mehr Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden kann. In einem Zelt im Camp trifft sie sich mit Frauen, die sich in einem Plenum zusammengetan haben, um kommunal mehr mitbestimmen zu können. Koumba Maiga ist die Vorsitzende einer Frauenvereinigung für Sicherheit und Politik. Sie beschreibt, dass es den Frauen vor allem an Sicherheit fehlt, aber auch an Landrechten und Möglichkeiten, Kredite aufzunehmen. Die meisten Männer seien in die Hauptstadt Bamako gegangen, um Arbeit zu finden, erzählt sie. Die Frauen blieben zurück, seien isoliert. „Wir gehen nachts nicht raus.“ Zu viel Angst hätten sie, überfallen und vergewaltigt zu werden.

Die Frauen sprechen auch von den Menschen, die aus anderen Teilen des Landes vertrieben wurden, traumatisiert sind und in der Region Gao - wo die Blauhelme sind - Schutz suchen. Das wenige, was es an Essen und Wasser gebe, müsse noch mehr Menschen ernähren, sagen sie. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat hier das Ziel, die bewässerte Landwirtschaft auszubauen, sodass mehrmals im Jahr geerntet werden kann. Auch Sorten, die Dürre aushalten, sollen angebaut werden.

Die Bedingungen sind nicht einfach. Um auf Wasser zu stoßen, muss inzwischen 800 Meter tief gebohrt werden. Und in der Regenzeit kommt es so geballt, dass es Tiere und Pflanzen wegspült. Hinzu kommt das Problem mit der Sicherheit. Was aus Entwicklungsprojekten wird, wenn die Bundeswehr abzieht, ist unklar.

Zwar können die deutschen Streitkräfte auch heute schon nur begrenzt ihre Arbeit tun. Die Militärregierung in Bamako erteilt immer wieder Überflugverbote, Aufklärung ist kaum möglich, die Heron-Drohne durfte zum letzten Mal im Dezember aufsteigen. Dennoch leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Mission.

Der Mali-Experte Ulf Laessing befürchtet, dass mit dem Abzug der Bundeswehr die UN-Mission gezwungen sein könnte, einige Standorte im Norden zu schließen. Der Büroleiter des Sahel-Programms der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung schreibt in einer Analyse, alle Bemühungen der europäischen Staaten, in den Niger und andere Länder auszuweichen, „werden wenig Erfolg zeigen, wenn die Instabilität in Mali - das sich geografisch im Herzen des Sahel befindet - zunehmend wächst und von hier aus weiter in die Region ausstrahlt“.