Debatte über Aussetzung der Entwicklungshilfe für Afghanistan

Frankfurt a.M. (epd). Die Machtübernahme der Taliban hat eine Debatte über die Fortsetzung der Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan ausgelöst. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell brachte am Donnerstag eine zeitweise Einstellung der Entwicklungshilfe für Afghanistan ins Gespräch. Sie müsse gestoppt werden, „bis wir wissen, wer Afghanistan regiert und wie ihr Verhalten ist“, sagte er vor Abgeordneten des Europaparlaments. Deutschland und Finnland haben die Entwicklungshilfe für das Land bereits ausgesetzt.

Borrell sagte, der Stopp der Finanzierung sei einer der Hebel, mit dem die EU die Taliban beeinflussen könnten. Eine endgültige Entscheidung steht aber noch aus, wie ein Sprecher des EU-Chefdiplomaten mitteilte. Afghanistan ist den Angaben zufolge mit mehr als vier Milliarden Euro seit 2002 der größte Empfänger europäischer Entwicklungshilfe.

Gleichzeitig sprach sich der EU-Außenbeauftragte für eine Erhöhung der humanitären Hilfe aus. Im Gegensatz zur längerfristig angelegten Entwicklungshilfe unterstützt die humanitäre Hilfe notleidende Menschen in Extremsituationen, etwa nach Naturkatastrophen oder bei Kriegen. Sie wird unabhängig von politischen Aspekten gewährt.

Deutschland und Finnland hatten bereits am Dienstag angekündigt, die Entwicklungshilfe für Afghanistan aufgrund der Machtübernahme der Taliban vorerst einzustellen. Großbritannien hingegen will die bis Ende des Jahres vorgesehenen Entwicklungs- und Hilfsgelder bis Ende des Jahres auf 286 Millionen Pfund (334 Millionen Euro) verdoppeln.

Misereor kritisierte die Entscheidung der Bundesregierung. Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel sagte am Donnerstag in Berlin, die Aussetzung „hat unsere Partner erschrocken“. Die Gelder für Projekte würden in einer hoch desolaten und angstbesetzten Situation gestrichen. Die Linken-Spitzenkandidatin Janine Wissler warnte ebenfalls vor einer Aussetzung der Entwicklungshilfe. „Hilfsgelder von vornherein pauschal zu streichen, halte ich für falsch“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag).

Seit Beginn der Jahres hat sich die humanitäre Krise in Afghanistan durch die Kämpfe zwischen den Taliban und Regierungstruppen und einer anhaltenden Dürre verschärft. Nach UN-Angaben wurden seit Januar 550.000 Menschen vertrieben. Insgesamt seien 18,4 Millionen Afghaninnen und Afghanen auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Die Hilfsprogramme der Vereinten Nationen sind stark unterfinanziert. UN-Organisationen sowie viele private Hilfsorganisationen wollen trotz der angespannten Sicherheitslage im Land bleiben.