Blauhelmeinsatz zwischen Söldnern und Dschihadisten

Eigentlich sollten die Blauhelme Mali auf dem Weg zu Frieden und Demokratie begleiten. Diese Ziele sind aber wohl kaum noch erreichbar. Söldner und Dschihadisten terrorisieren die Bevölkerung. Doch ein Abzug birgt weitere Risiken.

Berlin/Bamako (epd). Es ist der derzeit gefährlichste Auslandseinsatz der Bundeswehr, der auch politisch immer heikler wird: Etwa 1.100 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind im Rahmen der Blauhelm-Mission Minusma im westafrikanischen Mali stationiert. Die Bundesregierung hat bereits im November einen Abzug bis Ende Mai 2024 angekündigt. Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erwägt aber wegen wiederkehrenden Behinderungen durch die malische Militärregierung einen früheren Zeitpunkt. Das geltende Mandat muss in den kommenden Monaten vom Bundestag verlängert werden.

Die Militärs behindern die Arbeit der Minusma unter anderem mit Überflugverboten. Der Mali-Experte Ulf Laessing geht davon aus, dass die Machthaber damit die unabhängige Überprüfung möglicher Menschenrechtsverbrechen verhindern wollen. Deshalb dürften die Drohnen der Bundeswehr nicht mehr starten und Patrouillen nicht mehr in bestimmte Gebiete fahren, sagte der Büroleiter des Sahel-Programms der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Eine vergleichbare Politik der Nadelstiche hatte die Militärregierung schon gegen Frankreich verfolgt. Die Franzosen beschlossen daraufhin den Rückzug der Anti-Terrormission Barkhane. Im vergangenen August verließen die letzten französischen Soldaten das Land - begleitet wurde der Abzug der einstigen Kolonialmacht von Jubel-Demonstrationen. Die Kampfhubschrauber der Barkhane-Mission sorgten aber auch für den Schutz von Minusma-Patrouillen.

Der Blauhelmeinsatz wurde im Jahr 2013 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossen und besteht derzeit aus gut 13.000 Soldatinnen und Soldaten sowie etwa 2.000 Polizeiangehörigen aus mehr als 50 Ländern. Hintergrund war die Eroberung weiter Gebiete im Norden Malis 2012 durch mehrere bewaffnete Gruppen, darunter Islamisten. Ziele der UN-Mission sind der Schutz der Zivilbevölkerung und die Überwachung eines Friedensabkommens, das aber de facto nie richtig umgesetzt wurde. Die Terrorismusbekämpfung ist nicht Teil des Auftrags. Deutsche Streitkräfte übernehmen die Aufklärung am Boden und aus der Luft. Mit fast 300 Toten ist der Einsatz in Mali die derzeit riskanteste UN-Mission.

Trotz der Präsenz internationaler Truppen bleibt die Sicherheitslage instabil: Islamistische Gruppen verüben regelmäßig Anschläge auf die Zivilbevölkerung und staatliche Einrichtungen. Nach zwei Putschen 2020 und 2021 ist das Militär an der Macht. Seither nehmen Spannungen zwischen den internationalen Einsatzkräften und den regierenden Militärs zu. Die UN wirft der malischen Armee und russischen Wagner-Söldnern Massaker an Zivilisten vor.

Im Nordostens Malis hat sich die Sicherheitslage nach dem Rückzug Frankreichs laut Laessing noch einmal stark verschlechtert. Islamistische Gruppen könnten sich nun freier bewegen. Rund um die Stadt Gao, wo es auch wegen der Präsenz der Bundeswehr noch vergleichsweise sicher sei, kämen täglich neue Flüchtlinge aus der Region an.

Die Bundeswehr ist wiederum auch operativ mit ständig neuen Problemen konfrontiert. Im vergangenen Sommer wurden die Tätigkeiten für einige Wochen ausgesetzt, nachdem jeglicher Personalwechsel bei den im Land stationierten Blauhelmen von Malis Militärs untersagt wurde. Jüngst wurden sogar Flüge mit dem medizinischen Evakuierungsflieger „MedEvac“ kurzzeitig untersagt und die Rotationsflüge für das Personal ausgesetzt.

Trotzdem warnt Laessing mit Blick auf die Debatte über einen rascheren Abzug vor vorschnellen Schlüssen. Ohne die deutschen Streitkräfte könne Minusma „in der jetzigen Form“ wahrscheinlich nicht weitermachen. Er hoffe, dass Deutschland den UN noch ein wenig Zeit gebe, die Lücke, die die Bundeswehr hinterlasse, zu schließen. Klar sei, dass ohne die Blauhelme auch die humanitäre Hilfe schwieriger würde. Auch wenn das Gesamtergebnis des Bundeswehreinsatzes frustrierend sei: „Es ist besser als gar nichts, der humanitäre Aspekt wird ein bisschen übersehen.“