Bischof July: Krieg beginnt in der Sprache

Stuttgart (epd). Der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, hat zu einem verantwortlicheren Umgang mit der Sprache aufgerufen. Sie trage dazu bei, Hass in den Köpfen zu verankern, sagte der Bischof am Samstag in Stuttgart laut Predigtmanuskript in einem Gottesdienst zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren. Für Jesus Christus habe das Töten schon begonnen, wenn man einen Menschen herabsetze, beschimpfe und ihn in ein falsches Licht bringe. 

July erinnerte an die Millionen Tote und Vertriebenen des Zweiten Weltkriegs. Durch den Hass dieser Zeit seien ganze Generationen der Opfer bis heute gezeichnet. Die Nationalsozialisten hätten Juden, Sinti und Roma sowie sexuelle, religiöse und politische Minderheiten zu "Un-Menschen" gemacht, die man dann auch unmenschlich habe behandeln und in den Konzentrationslagern töten können. 

"Hass fängt in der Sprache an", betonte der Bischof. Die Leichtfertigkeit, mit der Menschen andere beleidigten, Gerüchte streuten oder Feindschaft säten, habe in den modernen Kommunikationsmöglichkeiten wieder zugenommen. Eine demokratische Gesellschaft lebe zwar von der Diskussion, doch müsse Streit da enden, wo die Würde des Einzelnen infragegestellt werde. 

Der Gottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche war die erste öffentliche Feier des Bischofs nach der Corona-Sperre. Laut kirchlichem Schutzkonzept mussten die Gottesdienstgäste zwei Meter Abstand voneinander halten und durften nicht singen. Die Besucherzahl war auf 100 begrenzt.