Banges Hoffen auf eine Waffenruhe im Sudan

Nach mehr als einem Jahr Krieg herrscht im Sudan eine der weltweit größten Hungerkrisen. Wegen der Kämpfe kommt Hilfe vielerorts nicht an. Nun sind neue Friedensgespräche geplant, doch Fachleute sind skeptisch.

Frankfurt a.M./Khartum (epd). Fast täglich schlagen die Vereinten Nationen Alarm wegen der humanitären Krise im Sudan. Rund 15 Monate nach Beginn des Krieges zwischen der Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz hungern in dem afrikanischen Land bis zu 26 Millionen Menschen.

Die internationale Gemeinschaft habe versagt, kritisierte eine hochrangige Vertreterin des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Hilfe jüngst vor dem Sicherheitsrat in New York und sprach von einem „beschämenden Schandfleck für unser kollektives Gewissen“.

Zwar hatten Hilfsorganisationen immer wieder auch Finanzierungsengpässe beklagt, doch für das Ausmaß der Not sind in erster Linie die Kämpfe und Angriffe auf Helfer verantwortlich. Selbst Vereinbarungen für temporäre Feuerpausen hielten in der Vergangenheit, wenn überhaupt, nur kurz. Nun gibt es einen neuen Anlauf: Für den 14. August haben die USA die Konfliktparteien zu neuen Gesprächen über eine Waffenruhe in die Schweiz eingeladen.

„Vor allem in Gebieten, in denen aktiv gekämpft wird, verhungern die Menschen“, sagte Leni Kinzli, Sprecherin des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) für den Sudan, Leni Kinzli, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Deshalb müsse dringend mindestens eine Waffenruhe zur Lieferung humanitärer Hilfe vereinbart werden.

Wie unter einem Brennglas zeigt sich die Krise im Sudan derzeit in Zamzam, einem Vertriebenenlager im Bundesstaat Nord-Darfur. Vergangene Woche hatten Fachleute der international renommierten IPC-Initiative eine Hungersnot für das Camp bestätigt, in dem schätzungsweise etwa 500.000 Menschen leben. Zuletzt war dies 2017 für Teile des Südsudans der Fall.

Die Kriterien für einen solchen Schritt sind hoch. Es ist die letzte Reißlinie, die gezogen wird, um internationale Aufmerksamkeit auf eine Krise zu lenken. Eine Hungersnot wird erst ausgerufen, wenn Menschen bereits gestorben sind.

Auch im Fall von Zamzam sind vor allem die Kämpfe für die große Not verantwortlich. Ende April seien die bisher letzten WFP-Lkw mit Lebensmittellieferungen in das Lager gelangt, sagte Kinzli. Rund um die Stadt El Fasher in der Nähe des Camps werde seit Monaten gekämpft. Die Armee fliege Luftangriffe, und auch von der RSF-Miliz komme immer wieder Beschuss. „Die Lastwagen können nicht fahren, weil es einfach zu gefährlich ist.“

Das International Rescue Committee (IRC) sieht in der Gewalt ebenfalls eines der größten Hindernisse für Hilfsorganisationen im Sudan. Helferinnen und Helfer seien immer wieder Angriffen ausgesetzt, oder ihnen werde der Zugang verweigert, kritisiert der IRC-Nothilfedirektor für Ostafrika, Shashwat Saraf.

Die Gespräche in der Schweiz haben auch zum Ziel, mehr Hilfe zu ermöglichen. Nur ob das gelingt, ist kaum absehbar. Die Sudan-Expertin Hager Ali warnt vor verfrühtem Optimismus, selbst wenn die Armee und die RSF-Miliz an einem Tisch zusammenkommen sollten. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie sich auf eine Waffenruhe einigen, sagte die Politikwissenschaftlerin vom Hamburger Giga-Institut. Nur seien solche Abkommen in der Vergangenheit schnell wieder gebrochen worden.

Hinzu kommen grundsätzliche Zweifel am Format der Gespräche. Zwar seien die zu den Verhandlungen eingeladene Armee und die „Rapid Support Forces“ die Hauptkontrahenten. Die Kontrolle über das Kriegsgeschehen sei ihnen inzwischen aber entglitten, etwa weil viele weitere Milizen und Rebellengruppen zu den Waffen gegriffen haben. „Beide Truppen wären wahrscheinlich gar nicht mehr in der Lage, eine Waffenruhe überhaupt durchzusetzen“, sagte Ali. Dieser neuen Dynamik werde der von den USA und Saudi-Arabien angestoßene Prozess nicht gerecht.

Nötig wären laut der Sudan-Expertin vor allem Gespräche auf lokaler Ebene. Diese könnten die Verhandlungen zwischen den Streitkräften und den RSF ergänzen. So würden auch die jeweiligen Gegebenheiten in den Landesteilen berücksichtigt, und es könnten lokale Milizen eingebunden werden. Auch müssten Waffenlieferungen an die Konfliktparteien aus Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Iran und der Türkei unterbunden werden.

Doch bis dahin bleibt nur die Hoffnung auf die Gespräche in der Schweiz. „Es gibt keinen Menschen mehr im Sudan, der nicht betroffen ist von diesem Krieg“, sagt WFP-Sprecherin Kinzli und warnt: „Je länger der Krieg weitergeht, desto schlimmer wird die ohnehin schon katastrophale Lage.“