Angriff auf das Herz wirtschaftlicher Hoffnungen

Maputo (epd). Der Vormarsch islamistischer Kämpfer schockt Mosambik. Auch nachdem die Regierung am Ostersonntag verkündet hat, die 67.000-Einwohner-Stadt Palma sei von der Armee zurückerobert, ist die Lage schwierig. Die Vereinten Nationen vermuten, dass Tausende Menschen auf der Flucht versprengt und im Busch versteckt sind, ohne jede Hilfe und auf der Suche nach einer sicheren Bleibe. 

Die Stadt Palma ist befreit, aber die Gefahr ist nicht gebannt. Berichte kursieren, wonach die Islamisten gezielt Jagd auf flüchtende Zivilisten machen. Die Gefechte um Palma haben weitere 10.000 Menschen in die Flucht getrieben. 670.000 hatten die umkämpften Gebiete in der Nordprovinz Cabo Delgado bereits zuvor verlassen, leben in völlig überfüllten Camps oder beengt bei Verwandten. Die Dschihadisten terrorisieren die dort überwiegend muslimische Bevölkerung seit 2017. 

Unicef stellt sich auf neue Flüchtlinge ein und bittet dringend um Spenden. "Wir nehmen Menschen in Empfang, die sehr traumatisiert sind, so sehr, dass sie nicht einmal mehr sprechen", sagt Daniel Timme vom UN-Kinderhilfswerk in der Provinzhauptstadt Pemba. Unter den Flüchtlingen seien viele Kinder. Nicht einmal die Kleinsten finden Schutz vor der Gewalt. Das Unicef-Team fand ein erst 13 Monate altes Baby mit einer Schusswunde unter den Flüchtlingen. 

Mehrere Städte sind noch in der Hand der Miliz Ansar al-Sunna, die im Volksmund "Al Shabaab" genannt wird, aber mit der Miliz gleichen Namens in Somalia offenbar nichts zu tun hat. Beide Gruppen bekunden indes der arabischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) ihre Gefolgschaft, die sich zu mehreren Anschlägen in Mosambik bekannt hat. Das US-Außenministerium sieht die Ansar al-Sunna in Mosambik als IS-Ableger an, macht sie für den Tod von 1.300 Zivilisten verantwortlich und setzte sie im März auf die Liste der mit Sanktionen belegten Terrororganisationen. 

Der Angriff auf Palma schockte Mosambik im Südosten Afrikas auch deshalb so stark, weil er die Erdgasförderung traf, das Herz seines Entwicklungsmodells. Mit 17 Milliarden Euro in der ersten Phase ist es das größte Investitionsvorhaben in der Geschichte des Landes mit rund 30 Millionen Einwohnern, das zu den ärmsten der Welt zählt. Nun liegt das Projekt auf Eis, denn der Energiekonzern Total stoppte die Arbeiten auf der Halbinsel Afungi, die nur zehn Kilometer von Palma entfernt ist, und brachte die Mitarbeiter in Sicherheit. Ein Brite und ein Südafrikaner, die im Umfeld des Projekts arbeiteten, wurden von Dschihadisten getötet. 

Der Angriff auf Palma wird von vielen als Zäsur gewertet. Tom Bowker, Herausgeber des mosambikanisch-britischen Online-Nachrichtendienstes "Zitamar News", wirft der Regierung seit langem Versagen in Cabo Delgado vor - und wurde kürzlich des Landes verwiesen. 

Welche Strategie Präsident Filipe Nyusi verfolgen will, bleibt unklar. "Die Regierung hat immer versucht, den Ernst der Lage herunterzuspielen", sagte der mosambikanische Journalist und Anthropologe Tomás Queface dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Die Armee ist schlecht ausgerüstet und unerfahren." Nach einigen Stunden gehe ihr schlicht die Munition aus. Außerdem seien keine Entlastungskräfte nach Palma beordert worden, obwohl der Angriff dort absehbar gewesen sei. Das Gros der Truppen habe sich auf den Schutz der Total-Anlagen konzentriert. 

Queface fordert dringend internationale Unterstützung. Die USA haben bereits mit einer Ausbildungsmission begonnen, Portugal entsendet 60 Spezialkräfte für Truppentraining. Eine Entscheidung der EU über eine Mission in Mosambik steht noch aus. Auch von einem Mosambik-Krisengipfel der südafrikanischen Wirtschaftsunion SADC an diesem Donnerstag wird Unterstützung erwartet. 

Präsident Nyusi schweigt, zeigt nicht einmal Präsenz im unruhigen Norden. Der Analyst Queface ist pessimistisch und warnt vor neuen Angriffen der Islamisten: "Aus meiner Sicht sind jetzt die Städte Nangade und Mueda die nächsten Ziele", sagte er dem epd. Wenigstens die Provinzhauptstadt Pemba, von der aus all die Geflüchteten versorgt werden, sieht er aktuell noch nicht als gefährdet an.