Amnesty kritisiert "unglaubliches Blutvergießen durch die Taliban"

Berlin (epd). Die Taliban haben laut Amnesty International während ihrer Machtübernahme in Afghanistan schwere Kriegsverbrechen begangen. Zugleich seien auch bei Angriffen der afghanischen Streitkräfte und des US-Militärs Zivilistinnen und Zivilisten zu Tode gekommen, erklärte die stellvertretende Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty, Julia Duchrow, am Mittwoch anlässlich der Veröffentlichung eines Berichts in Berlin. Der Internationale Strafgerichtshof müsse möglichen Kriegsverbrechen aller Parteien nachgehen.

Im Sommer hatten die Taliban eine Offensive gestartet und Mitte August mit der Eroberung Kabuls die Macht in Afghanistan übernommen. Ende August verließen die letzten US-Soldaten das Land. Amnesty wirft den Taliban vor, während ihres Vormarsches die Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten sowie afghanische Soldaten gefoltert und getötet zu haben. Das gesamte Ausmaß der Tötungen sei schwer zu erfassen, weil die Taliban in vielen ländlichen Gebieten den Mobilfunk unterbrochen und den Internetzugang stark eingeschränkt hätten. Duchrow sprach dennoch von einem „unglaublichen Blutvergießen durch die Taliban“.

Derweil machen die Menschenrechtler auch die US-Truppen und die afghanische Armee für den Tod von Zivilistinnen und Zivilisten verantwortlich. So dokumentiert der Bericht vier Luftangriffe zwischen 2017 und 2021 in dicht besiedelten Gebieten, bei denen 28 Menschen getötet wurden, darunter acht Kinder. Drei der Luftangriffe seien höchstwahrscheinlich von den USA und einer von der afghanischen Luftwaffen geflogen worden. Für den Bericht recherchierten die Menschenrechtler nach eigenen Angaben in Kabul und sprachen mit Betroffenen und Zeugen. Zudem wertete die Organisation Sattelitenbilder, Videos und Fotos aus.