Aktion Sühnezeichen: "Ein Terroranschlag, der einfach nicht aufgehört hat"

Berlin (epd). Jutta Weduwen ist Geschäftsführerin der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, für die derzeit 21 junge Freiwillige in Israel sind. Der im Jahr 1958 gegründete und evangelisch getragene Verein setzt sich für Erinnerung, Verständigung und Menschenrechte ein. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erzählt Weduwen, die selbst Anfang der 1990er in Israel studiert hat, vom Grauen des Hamas-Terrorangriffs am vergangenen Wochenende und den Folgen.

epd: Sie arbeiten in Israel mit Holocaust-Überlebenden. Wie erleben Sie deren aktuelle Situation?

Jutta Weduwen: Es gibt in Israel ungefähr 125.000 Menschen, die die Schoah überlebt haben und die jetzt teilweise direkt betroffen sind. Eine jüdische Freundin aus den USA hat mir erzählt, dass eine ihr bekannte Holocaust-Überlebende unter den Entführten ist. Es ist eine furchtbare Vorstellung: Man hat die Grauen der Schoah überlebt und denkt in Israel sicher zu sein, um dann in die Hände von Terroristen zu fallen. Andere Überlebende, die nicht unmittelbar von der Infiltration der Terroristen betroffen waren, erleben auch eine Retraumatisierung. Das Gefühl, in Israel Sicherheit zu haben, ist noch einmal mehr erschüttert. Auch wenn es immer wieder Kriege und Terroranschläge gab, ist das jetzt eine andere Dimension. Der Angriff hat mehrere Tage gedauert. Es war wie ein Terroranschlag, der einfach nicht aufgehört hat.

epd: Wie geht es Ihren Freiwilligen?

Weduwen: Seit Samstagfrüh sind wir mit unserem Jerusalemer Landesbüro und von Berlin aus im Ausnahmezustand. Zwar werden alle Freiwilligen von uns darauf vorbereitet, dass sie in eine Krisenregion gehen, und es gibt Abläufe und Ansprechpersonen für Krisensituationen. Aber wir haben nicht mit einer solchen Dimension gerechnet. Es ist ein solches Grauen, das über Israel hereingebrochen ist. Die Freiwilligen sind jetzt seit einem Monat im Land und alle, mit denen sie zusammenarbeiten, sind von den Angriffen betroffen. Alle kennen zumindest um die Ecke jemanden, der oder die im Süden war, getötet oder entführt wurde. Wir haben auch israelische ehemalige Freiwillige in Deutschland. Einige wollen zurück zu ihren Familien, andere müssen zurück, weil sie einberufen wurden.

epd: Werden die deutschen Freiwilligen ausreisen?

Weduwen: Wir haben entschieden, dass erst einmal alle Freiwilligen nach Deutschland zurückkommen, das ist auch die aktuelle Empfehlung des Bundesjugendministeriums. Die meisten wünschen sich auch eine Auszeit. Daher ist es eine Erleichterung, dass es deutsche Sonderflüge aus Israel gibt. Endgültig abbrechen möchten die Freiwilligen ihren Dienst aber nicht, und ich hoffe sehr, dass eine Rückkehr bald möglich ist. Wir werden weiter in engem Kontakt mit unseren jüdischen Partnerinnen und Partnern in Israel wie auch hier in Deutschland stehen und unsere Unterstützung anbieten. Gerade jetzt ist praktische Solidarität dort wie hier gefragt.