Äthiopien: Internationale Kritik nach Luftschlag auf Markt in Tigray

Frankfurt a.M./Addis Abeba (epd). Der Tod von Dutzenden Menschen bei einem Luftschlag des äthiopischen Militärs in Tigray hat international Kritik ausgelöst. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und der Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarčič, am Donnerstag die „gezielte Tötung von Zivilisten“. Auch ein Sprecher des US-Außenministeriums verurteilte den Luftschlag.

Am Dienstag waren bei einem Angriff der äthiopischen Luftwaffe auf einen Markt im Ort Togoga nahe der Regionalhauptstadt Mekelle Medienberichten zufolge Dutzende Menschen getötet worden, darunter zahlreiche Zivilisten. Es gebe glaubwürdige Berichte, wonach Rettungsdienste von Sicherheitskräften daran gehindert worden seien, Verletzten zu helfen, erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums. Das äthiopische Militär teilte mit, Ziel des Luftschlags seien Terroristen gewesen.

Vor dem Luftschlag hatte sich die paramilitärische Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) offenbar in einer Offensive auf Mekelle zubewegt. Unabhängige Berichte aus Tigray gibt es kaum, weil die Region in Nordäthiopien für unabhängige Beobachter und Journalisten weitgehend unzugänglich ist. Seit November liefern sich dort das äthiopische Militär und die TPLF, die bisher in der Region an der Macht war, heftige Kämpfe. Schätzungen zufolge wurden Tausende Menschen getötet und mindestens 1,6 Millionen vertrieben. Sowohl der äthiopischen Armee als auch der TPLF werden schwere Verbrechen vorgeworfen.

Hintergrund des Konflikts ist ein Machtstreit zwischen der Zentralregierung und der Regionalregierung in Tigray, der durch die Verschiebung der Parlamentswahlen im vergangenen Jahr ausgelöst wurde. Am Montag wurden die lange erwarteten Wahlen abgehalten. Obwohl in manchen Teilen des Landes wegen Gewalt nicht gewählt werden konnte, bezeichnete die Wahlbeobachtermission der Afrikanischen Union (AU) den Verlauf in einer vorläufigen Erklärung am Mittwochabend als geordnet, friedlich und glaubwürdig.

Bei der Wahl traten insgesamt mehr als 50 Parteien auf nationaler und regionaler Ebene an, rund 38 Millionen Wähler waren registriert. Mehrere Oppositionsparteien hatten die Abstimmung boykottiert, weil einige führende Politiker festgenommen und Mitglieder eingeschüchtert worden seien. Die EU hatte im Mai erklärt, keine Beobachter zu entsenden, weil die äthiopische Regierung sich geweigert habe, die Unabhängigkeit der Mission zu gewährleisten.

Die Abstimmung gilt als Test für den Ministerpräsidenten und Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed, der das Land am Horn von Afrika seit 2018 regiert und wegen seines Vorgehens in Tigray und der zunehmend autoritären Führung in der Kritik steht.