300.000 Menschen für atomare Abrüstung

Bonn (epd). Der Schriftsteller Heinrich Böll, die evangelische Theologin Dorothee Sölle, der Publizist Robert Jungk und der evangelische Theologie Helmut Gollwitzer waren nur einige der prominenten Rednerinnen und Redner, die am 10. Oktober 1981 nach Bonn kamen. 300.000 Menschen demonstrierten vor 40 Jahren auf der überfüllten Hofgartenwiese im Zentrum friedlich für eine atomare Abrüstung in Ost und West. Es waren Bilder, wie sie die Bonner Republik bis dahin noch nicht gesehen hatte.

„Wir haben damals ein Stück bundesdeutscher Geschichte geschrieben“, sagt Ulrich Frey heute. Er war damals als Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) zusammen mit dem im vergangenen Jahr verstorbenen Geschäftsführer der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF), Volkmar Deile, einer der beiden Verantwortlichen für diese Großdemonstration der Friedensbewegung. Ihr sollten in den in den Jahren danach noch weitere Großkundgebungen europaweit folgen.

Entstanden war die Demonstrationsidee im Sommer 1981 in Gesprächen von ASF, der AGDF und dem interkirchlichen Friedensrat der Niederlande. Am Rande des Evangelischen Kirchentages 1981 in Hamburg wurde der Aufruf verfasst, als Veranstalter sollten die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und die AGDF fungieren. Gut 1.000 in- und ausländische Organisationen und Friedensgruppen unterstützten den Aufruf. Es wirkten laut Frey erstmals alle „Spektren“ der Friedensbewegung mit, einschließlich kommunistischer Gruppen.

Die „Entspannungseuphorie“ nach der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) von 1975 sei weltpolitisch schnell abgeklungen, erinnert sich Frey an damals. In ihrer Schlussakte von Helsinki hatte die Konferenz, an der europäische Staaten, die USA, Kanada und die Sowjetunion teilgenommen hatten, Prinzipien für die gegenseitigen Beziehungen verabschiedet - darunter friedliche Regelungen von Streitfällen und der Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt. Die Realität sah anders aus: „Die Sowjetunion stationierte neue Atomraketen, die NATO antwortete 1979 mit dem Doppelbeschluss und der Androhung der Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Europa, die Sowjetunion marschierte in Afghanistan ein“, erzählt Frey. „Das alles machte die Menschen nachdenklich.“

Der Aufruf zur Demonstration in Bonn traf daher die Stimmungslage vieler in der Bevölkerung. „Sie wollten einen neuen Abrüstungsprozess, weniger Atomwaffen und ein Ende des Ost-West-Konflikts, aber auch keinen plumpen Antikommunismus“, sagt der damalige AGDF-Geschäftsführer. „Es war eine Aufbruchsstimmung spürbar, bei den Menschen gab es den großen Wunsch nach Frieden.“

Die Organisatoren spürten jedoch auch deutlichen Gegenwind. Der Deutsche Gewerkschaftsbund etwa untersagte seinen Mitgliedsorganisationen, zur Teilnahme aufzurufen. Die Union im Deutschen Bundestag warnte, die Demonstration richte sich gegen die bundesdeutschen Sicherheitsinteressen und sei von Moskau gesteuert. Auch Medien reagierten zurückhaltend. Und in der SPD wurde ebenfalls diskutiert: Bundeskanzler Helmut Schmidt und Verteidigungsminister Hans Apel waren aus außenpolitischen Gründen dagegen. Der damalige Bundesentwicklungsminister Erhard Eppler beteiligte sich so auch als Einzelperson, nicht als SPD-Politiker.

Auch die Kirchen hielten Distanz zu den Friedensaktivisten. „Sogar ein Gottesdienst in der Schlosskirche an der Bonner Universität wurde untersagt“, erzählt Frey. Dennoch seien viele Christinnen und Christen nach Bonn gekommen. Menschen aus der ganzen Gesellschaft seien vertreten gewesen.

Trotz vorheriger Warnungen, dass es zu Ausschreitungen kommen solle, sei die Demonstration zudem gewaltfrei gewesen, betont Frey. „Am Ende gab es elf Festnahmen, und das bei 300.000 Menschen. Der Hofgarten wurde sauber hinterlassen, das Bundesverfassungsgericht lobte die Hofgarten-Demonstration später als Vorbild des Demonstrationsrechts für viele andere Großaktionen der Friedensbewegung.“