275 rechtsextreme Verdachtsfälle in der Bundeswehr

Essen (epd). Der Militärische Abschirmdienst geht nach Angaben der Bundesregierung aktuell 275 rechtsextremen Verdachtsfällen in der Bundeswehr nach. 53 Fälle stammen aus diesem Jahr, wie die Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Sonntag) unter Berufung auf eine Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion berichten. 143 Fälle wurden im Jahr 2016 verzeichnet, die übrigen in den Jahren davor. Im vergangenen Jahr war der MAD den Angaben nach insgesamt 230 rechtsextremen Verdachtsfällen nachgegangen.

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), hatte in seinem Jahresbericht für das Jahr 2016 insgesamt 63 Vorfälle in den Bereichen Extremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit gemeldet. Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage kam es in elf dieser Fälle zu Entlassungen, in einem Fall auf eigenen Wunsch. In anderen Fällen mussten die Soldaten Geldstrafen zahlen, teilweise laufen die Ermittlungen noch. 

Bei den Vorfällen handelte es sich dem Bericht zufolge häufig um Propagandadelikte. So riefen mehrere Soldaten riefen etwa "Sieg Heil!" oder zeigten den Hitler-Gruß. Ein Soldat veröffentlichte laut dem Regierungspapier in einem WhatsApp-Chat ein Foto von Adolf Hitler mit dem Kommentar: "Vermisst seit 1945, Adolf, bitte melde Dich! Deutschland braucht Dich! Das deutsche Volk!" Der Soldat musste 800 Euro Geldstrafe zahlen, seine Entlassung wurde beantragt. 

Ein anderer Soldat stellte dem Bericht zufolge ein Foto eines Soldaten mit Maschinenpistole ins Internet, darunter stand: "Das schnellste deutsche Asylverfahren, lehnt bis zu 1.400 Anträge in der Minute ab." Das Verfahren gegen ihn sei eingestellt worden, "da Dienstvergehen nicht nachgewiesen werden konnten", heißt es laut Bericht in dem Regierungspapier. In einem anderen Fall habe ein Soldat mit einer zweiten Person Flüchtlinge angegriffen, die er zuvor nach ihrer Religion gefragt habe. Die Polizei wertete dies laut Bericht als politisch motivierte Straftat. Es wurde eine vorzeitige Entlassung beantragt. In allen drei Fällen hätten die Soldaten noch Zugang zu Waffen, hieß es.

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) sagte den Funke-Zeitungen, Rechtsextremismus sei ein Thema, "bei dem die Bundeswehr ganz genau hingucken muss". Die Vorgesetzten reagierten in der Regel schnell und konsequent. "Das ist wichtig, denn solche Vorfälle können nicht geduldet werden." Zugleich verwies er darauf, dass 275 Verdachtsfälle bei 180.000 Soldaten im Promillebereich lägen. "Die Bundeswehr ist ein Teil unserer Gesellschaft - auch mit ihren negativen Seiten", sagte Bartels.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, nannte den Umgang der Bundeswehr mit Rechtsextremen "hochproblematisch". "Wie kann es denn sein, dass ein Soldat, der den Hitlergruß zeigt, im Dienst bleibt, weiterhin Zugang zu Waffen erhält und als Vorgesetzter Befehle erteilt?", sagte sie den Funke-Blättern. Wer sich als "Hitler-Fan" entpuppe, müsse aus der Bundeswehr rausfliegen.