2016 schlimmstes Jahr für Kinder im syrischen Bürgerkrieg

Köln/Osnabrück (epd). Die Lage der Kinder in Syrien ist nach Einschätzung von Hilfswerken noch nie so schlecht gewesen wie im vergangenen Jahr. Im sechsten Jahr des Bürgerkrieges wurden demnach mehr Kinder denn je getötet, verstümmelt oder für den Kampf rekrutiert. Nach Angaben von Unicef wurden 652 Kinder getötet, 20 Prozent mehr als im Jahr davor. Insgesamt 2.500 Fälle direkter Gewalt und schwerer Kinderrechtsverstöße registrierte das UN-Kinderhilfswerk mit Deutschland-Sitz in Köln nach einem Bericht vom Montag. 

255 der im diesem Jahr getöteten Kinder seien in oder nahe ihrer Schule ums Leben gekommen, hieß es im Unicef-Bericht. Es sei davon auszugehen, dass diese Zahlen nur die Spitze eines Eisbergs darstellten. 

Als Beginn des Syrien-Konflikts gilt der 15. März 2011. Das Regime von Machthaber Baschir al-Assad, Rebellengruppen und Terrormilizen kämpfen seitdem um die Macht. Hunderttausende Syrer wurden dabei getötet, mehr als elf Millionen Menschen sind auf der Flucht.

"Das Leid der syrischen Kinder hat ein beispielloses Ausmaß erreicht", sagte der Unicef-Regionaldirektor für den Nahen Osten, Geert Cappelaere: "Jedes einzelne Kind ist für das ganze Leben geprägt mit schrecklichen Folgen für seine Gesundheit, sein Wohlbefinden und seine Zukunft." 

Laut Unicef wurden im vergangenen Jahr mehr als 850 Kinder für den Kampf rekrutiert, etwa doppelt so viele wie 2015. "Kinder und Jugendliche werden immer häufiger nicht nur für unterstützende Tätigkeiten wie Träger oder Wachtposten, sondern auch direkt als Kämpfer an der Front eingesetzt", schrieben die Autoren des Berichts. 

Mindestens 30 bis 40 Prozent der Minderjährigen seien schwerwiegend traumatisiert, sagte die Kinderrechtsexpertin von "terre des hommes", Barbara Küppers, dem epd. Lebenswichtige Infrastruktur für Kinder wie Krankenhäuser und Schulen werde immer mehr zerstört. 75 Prozent der Kinder arbeiteten und hätten zum Teil seit Jahren keine Schule besucht. 

Die Aktion Deutschland Hilft warnte, durch den fehlenden Zugang zu Bildung drohe in Syrien eine "verlorene Generation" heranzuwachsen. Auch in den Nachbarländern gehe nur etwa die Hälfte aller syrischen Flüchtlingskinder zur Schule. Die Geschäftsführerin des Hilfsbündnisses, Manuela Roßbach, betonte in Bonn: "Damit Syrien wieder eine Perspektive erhält, benötigt es eine starke und eigenständige Nachwuchsgeneration."

Die Diakonie Katastrophenhilfe prangerte die Missachtung des humanitären Völkerrechts durch alle Kriegsparteien an: "Das Kriegsverhalten der anderen Kriegsparteien ist keinen Deut menschlicher als das des sogenannten IS", sagte die Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel. "Es wird teilweise nicht einmal mehr versucht, die Zivilbevölkerung oder Einrichtungen wie Krankenhäuser zu schützen." 

Die Hilfsorganisation Care beklagte, verweigerte Genehmigungen für Hilfstransporte auf lokaler und nationaler Ebene und nicht eingehaltene Feuerpausen machten eine ausreichende Hilfe unmöglich. "Die Belagerung von Zivilisten und das Aushungern unschuldiger Kinder darf nicht länger als Kriegsmittel eingesetzt werden", sagte Karl-Otto Zentel, Generalsekretär von Care Deutschland-Luxemburg. 

Das Hilfswerk Help warnte vor einer humanitären Katastrophe, sollte nicht bald deutlich mehr Hilfe in Syrien ankommen. Die Infrastruktur von Großstädten wie Damaskus sei der großen Zahl von Binnenflüchtlingen nicht gewachsen. "Die Vertriebenen leben zum Teil unter katastrophalen Umständen, etwa in Rohbauten meist ohne Zugang zu sauberem Wasser", beklagte Projektkoordinator Kayu Orellana.