Synodenbeschluss zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (2023)

BESCHLUSS

der 13. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland

auf ihrer 4. Tagung

zur

Auseinandersetzung mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und extremer Rechter

vom 5. Dezember 2023

Mit vielen Menschen stehen wir für eine offene, tolerante und gerechte Gesellschaft, in der jeder Mensch ohne Angst verschieden sein kann. Dabei sind wir von den Gerechtigkeitstraditionen der biblischen Schriften wie von der gemeinsamen Suche nach dem Menschendienlichen geleitet. Darum können wir uns als Christ:innen nicht neutral verhalten, wenn Menschen ausgegrenzt, verachtet, verfolgt oder bedroht werden. Dabei gilt: Kritik beginnt mit Selbstkritik. Die Kirche sieht ihre eigene Verantwortung in der Anti-Diskriminierungs- und Gewaltpräventionsarbeit und der Aufarbeitung ihrer eigenen Gewaltgeschichte sowie den immer noch überdauernden Traditionen von Rassismus, christlichem Antijudaismus und antimuslimischen Ressentiments. Mit dieser Vision und dieser offenen Lerngeschichte können wir nicht schweigen:


1. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist entsetzt über die erneute Zunahme von rechtsextrem motivierten Gewalttaten im Jahr 2023, die sowohl die staatlichen als auch die Opferberatungsstellen feststellen. Die Synode der EKD begrüßt, wenn die Strafverfolgungsbehörden rechtsextrem motivierte rassistische, antisemitische, antimuslimische und queerfeindliche Straftaten energisch verfolgen.

2. Die Synode der EKD nimmt mit großer Sorge auch die wachsende Zustimmung bei Wahlen und in Umfragen zur sich immer weiter nach rechts radikalisierenden AfD und anderen rechtsextremen Parteien wahr. Die Synode erklärt dazu: Die menschenverachtenden Haltungen und Äußerungen insbesondere der rechtsextremen Kräfte innerhalb der AfD sind mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens in keiner Weise vereinbar. Die Synode verurteilt insbesondere die gegen Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund, queere Menschen, Menschen mit besonderen Förderbedarfen oder Menschen mit Behinderung gerichtete Menschenfeindlichkeit von amtierenden AfD-Politiker:innen. Völkisch-nationale Gesinnungen sowie demokratiefeindliche bzw. demokratiezersetzende Äußerungen und Verfahrensweisen weiter Teile der AfD stehen ebenfalls im Gegensatz zu zentralen christlichen Inhalten und sozialethischen Positionen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Darum ruft die Synode der EKD alle Wahlberechtigten mit Blick auf die Wahlen im Jahr 2024 dazu auf, ausschließlich Parteien aus dem demokratischen Spektrum zu wählen, die sich für eine offene Gesellschaft der Vielfalt und ein gerechtes, demokratisches Gemeinwesen einsetzen.

3. Die Synode beobachtet mit tiefer Beunruhigung, dass viele demokratisch engagierte Menschen aus der Zivilgesellschaft unter Druck gesetzt werden und Angst haben, sich öffentlich klar gegen Rassismus, Antisemitismus, antimuslimische Ressentiments, Queerfeindlichkeit und Rechtsextremismus zu äußern. Dies tritt bezeichnenderweise vor allem in den Gegenden auf, in denen die AfD besonders stark ist. Die Synode der EKD steht verlässlich an der Seite von allen, die sich für eine demokratische und offene Gesellschaft einsetzen. Sie ruft die Landeskirchen und Gemeinden auf, allen Versuchen, Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen und Demokratie zu zersetzen, klar und deutlich zu widersprechen, auch in den eigenen Reihen. Die Synode verurteilt in aller Schärfe die erschütternden antisemitischen Vorfälle und Übergriffe jedweder politischen Couleur, die im Herbst 2023 in Deutschland und weltweit zu beobachten sind, die von rechts- und linksextremen wie islamistischen Gruppen zu beklagen sind. Weitergehend verweisen wir in diesem Zusammenhang auf den gesonderten Beschluss „Antisemitismus ist Gotteslästerung“.

4. Die politische Lage im Herbst 2023 unterstreicht einmal mehr, dass die Arbeit an den Themen Demokratieförderung, Antidiskriminierung, Gewaltprävention und Diversitätsorientierung eine wichtige Aufgabe für die Evangelische Kirche bleibt. Die Berufung eines Beauftragten für den Kampf gegen Antisemitismus, die vom Rat der EKD eingesetzte Projektgruppe „Anti-Diskriminierung, Gewaltprävention, Diversitätsorientierung stärken!“ sowie die mit der Projektgruppe verbundene Arbeitsgruppe des Kammernetzwerks „Rassismus-/kritik“ sind wichtige Bestandteile dieser Arbeit, die unter Beteiligung von von Diskriminierung und Anfeindungen jeglicher Art betroffenen Menschen stattfindet. Die bereits begonnene Arbeit soll weiter unterstützt werden.

5. Die Synode bittet den Rat der EKD, die vorhandene Arbeit gegen Antisemitismus und für Demokratiekultur an der Ev. Akademie zu Berlin nachhaltig strukturell zu verankern und zu fördern. In diesem Zusammenhang gehört auch die strukturelle Verstetigung der Beauftragung der EKD für den Kampf gegen Antisemitismus.

6. Die Synode betrachtet es weiterhin als wichtige Aufgabe der EKD, eine klar vernehmbare Stimme gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Ausgrenzung zu sein. Sie begrüßt in diesem Zusammenhang sehr das Engagement der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K+R).

Hannover, den 5. Dezember 2023

Die Präses der Synode
der Evangelischen Kirche in Deutschland
Anna-Nicole Heinrich