Gerechter Frieden kann nicht mit Waffen gewonnen werden (2016)

Die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland beschließt:
 

Gerechter Frieden kann nicht mit Waffen gewonnen werden
Resolution der Landessynode zum Militäreinsatz der Bundeswehr in Syrien
 

Seit bald fünf Jahren wütet in Syrien ein entsetzlicher Krieg. Zahlreiche Staaten mischen im grausamen Bürgerkrieg mit eigenen Interessen mit. Mehr als eine Viertelmillion Menschen wurden bereits getötet, fast 12 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Die, die zurückbleiben, kämpfen täglich unter entsetzlichsten Bedingungen um das bloße Überleben.
Jeder militärische Eskalationsschritt verschlechtert die Lage der Zivilbevölkerung weiter.
Gemeinsam mit dem Friedensbeauftragten der EKD vom 2.12.2015, mit der Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 28.11.2015 und der Ev. Landeskirche in Baden vom 3.12.2015 zum Militäreinsatz der Bundeswehr in Syrien erklären wir deshalb: Wir trauern mit vielen Menschen um die Toten der Terror-Anschläge in Paris, in Beirut, in Ländern des Nahen Ostens und Afrikas. Mit ihnen sind wir erschrocken über die Brutalität und Menschenverachtung, mit der so viele ermordet wurden. Wir trauern mit den Familien der Opfer. Wir teilen mit den Menschen auf der ganzen Welt den Wunsch, in Frieden und ohne terroristische Bedrohung zu leben. Der sogenannte Islamische Staat will diesen Frieden zerstören. Gemeinsam mit allen Menschen guten Willens fordern wir ein Ende von Terror und Gewalt und treten dafür ein, dass alle erdenklichen politischen Mittel eingesetzt werden, um diesem Ziel näher zu kommen.
Der Beschluss des Bundestages vom 4.12.2015 zur Beteiligung der Bundeswehr an einem Militäreinsatz in Syrien, um mit Frankreich und anderen Verbündeten den islamistischen Terror zu bekämpfen, erfüllt uns mit großer Sorge.
Die friedensethischen Stellungnahmen der evangelischen Kirchen orientieren sich an den biblischen Grundaussagen. Das Pauluswort "Lasst Euch nicht vom Bösen überwinden, sondern überwindet das Böse mit Gutem" (Röm 12,21) ist nicht Ausdruck naiver Weltferne – auf die aktuelle politische Situation übertragen bedeutet es die Aufforderung alle Anstrengungen auf Alternativen zu einem militärischen Vorgehen zu richten, um die Gewaltspirale zu durchbrechen.
In den vergangenen Jahren gab es einige Versuche, mit Militäreinsätzen in Afghanistan und im Irak islamistischen Terror zu bekämpfen. Dies ist nicht gelungen.
Heute kann der islamistische Terror keiner einzelnen Region mehr zugeordnet werden. Er kann deshalb auch nicht nach der Logik eines Territorialkrieges überwunden werden. Der Terror entsteht in den Köpfen vieler Menschen in vielen Ländern. Dem muss deshalb an vielen Orten und mit vielen Mitteln entgegen gewirkt werden. Dies ist eine langfristige Herausforderung, die langen Atem, Besonnenheit, Mut zur Geduld und kreative Ideen erfordert. Waffengewalt lockt mit schnellen Wirkungen, doch sie führt nicht zum Erfolg.
Der Militäreinsatz in Syrien erfüllt die ethischen Prinzipien nicht, welche die EKD in der Friedensdenkschrift 2007 „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ benannt hat. In der jetzigen Situation in Syrien liegen die Voraussetzungen für eine bewaffnete Friedensmission nicht vor. Nach dem Verständnis der EKD-Denkschrift darf militärische Gewalt nur als äußerstes Mittel eingesetzt werden, wenn
- andauernde schwerste Menschenrechtsverletzungen vorliegen,
- ein Mandat des UN-Sicherheitsrates gegeben ist,
- begründete Aussicht auf Erfolg besteht und
- sie Teil eines friedens- und sicherheitspolitischen Gesamtkonzeptes ist.
 

Diese Kriterien sind augenscheinlich bei dem Militäreinsatz in Syrien nicht vollständig erfüllt. Auch angesichts andauernder Menschenrechtsverletzungen, die immer mehr Menschen in die Flucht treiben, sagen wir: Krieg ist Ursache dessen, nicht Mittel dagegen.
Die Versuche, den islamistischen Terror durch Militäreinsätze in Afghanistan und im Irak zu stoppen, haben eher das Gegenteil bewirkt: sie haben die Gesellschaften in diesen Ländern destabilisiert, den Terror gefördert und große Flüchtlingsströme ausgelöst. So trägt auch die Politik des Westens hier eine Mitverantwortung für die Entwicklungen der letzten Jahre.
Wir fordern die Bundesregierung auf, diesen Einsatz militärischer Mittel umgehend zu beenden und noch einmal genau zu prüfen, welche Instrumente gegen den Terrorismus – auch auf dem Hintergrund bislang gemachter Erfahrungen – tatsächlich helfen. Wir treten dafür ein, die Gewalt jeglicher Terrorbewegungen mit den Mitteln des Völkerrechts (UN-Mandat), der Ökonomie (wirksames Wirtschaftsembargo, Stoppen der Geldströme, dem Stopp von Rüstungsexporten, Sanktionen gegen Unterstützer) und Argumentation zu bekämpfen. Dies ist eine gemeinsame Aufgabe aller friedliebenden Menschen, aller Staaten und aller Religionsgemeinschaften.
Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, den Weg der militärischen Konfliktlösung zu verlassen und nachdrücklich die von der UN initiierte Genfer Friedenskonferenz in ihren Erfolgsmöglichkeiten zu unterstützen.
Nur auf dem Wege einer Verhandlungslösung kann für das vom Bürgerkrieg zerrissene und vom Terrorismus heimgesuchte Syrien eine Friedensperspektive erreicht werden.
Wir rufen alle friedliebenden Menschen in allen Religionsgemeinschaften auf, die Stimme zu erheben, für friedliche Lösungen zu beten und tatkräftig einzustehen. Wir erinnern an die Friedensbotschaft Jesu, die den Christinnen und Christen den Weg weist. Mit unseren Schwestern und Brüdern aus der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und aus Baden und in vielen Kirchen weltweit sind wir überzeugt: „Frieden kann nicht mit Waffen gewonnen werden“. Wir treten dafür ein und wollen - auch im Hören auf die Stimmen von Christinnen und Christen in Syrien - noch stärker dazu beitragen, dass sich die Kirchen in Deutschland auch in der Zusammenarbeit der Kirchen in der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) in dieser Überzeugung an der politischen Willensbildung in ihren Gesellschaften beteiligen.
 

Travemünde, den 27.2.2016