Demokratie stärken, Veränderungen gemeinschaftlich gestalten (2024)

Resolution der AGDF-Mitgliederversammlung 2024 zu 

Demokratie stärken, Veränderungen gemeinschaftlich gestalten

Das starke Abschneiden populistischer Kräfte bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am 1. September ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass viele Menschen ein distanziertes bis ablehnendes Verhältnis zum demokratischen System entwickelt haben.

Analyse: Globale Veränderungen und demokratische Aushandlungsprozesse

Die Welt durchläuft einen rapiden Wandel und mit ihr unsere Gesellschaft. Globalisierung, Urbanisierung, Migration, Entwicklungen in Technik und digitaler Kommunikation sowie Klimakrise führen zu grundlegenden Veränderungen, die sich in strukturellen Herausforderungen und sich ändernden Lebenswelten der Menschen niederschlagen. Hinzu kommen eine zunehmende wirtschaftliche Ungerechtigkeit und eine hohe Zahl kriegerisch ausgetragener Konflikte. Die globalen, gesellschaftlichen und lebensweltlichen Veränderungen werden vielfach als Zumutung und Überforderung erlebt. Die Verknüpfung globaler Herausforderungen mit der lokalen Lebenswirklichkeit vieler Menschen führt zu schärfer ausgetragenen Konflikten auch in Deutschland. Dies (alles) fordert die Demokratie heraus.

Zum Erhalt unserer Demokratie müssen diese Entwicklungen und ihre Folgen gemeinschaftlich getragen und gestaltet werden. Hierzu bedarf es der Aushandlung und der aktiven Bearbeitung be- und entstehender Konflikte. Mit Konflikten konstruktiv umzugehen und Transformation inklusiv zu gestalten sind zentrale Elemente des demokratischen Miteinanders und gleichzeitig entscheidende Faktoren für die Zukunft unserer Demokratie. Radikalisierung, Polarisierung und menschenfeindliche Einstellungen werden dort anschlussfähig, wo sie auf bestehenden Unmut und ungelöste Konflikte treffen. Dies kann sich in Skepsis und Ablehnung politischer Prozesse äußern und zu Wahlerfolgen von Parteien führen, die Menschenrechte und Demokratie grundsätzlich in Frage stellen, bis hin zu Anfeindungen und zur Bedrohung derer, die sich für Demokratie einsetzen und politisch betätigen.

Erfordernisse zur Stärkung der Demokratie

Um die Demokratie in Deutschland resilienter und zukunftsfähig aufzustellen, bedarf es weitreichender Veränderungen:

Das demokratische politische System mit Gewaltenteilung, Unabhängigkeit von Gerichten, einem funktionierenden Parlament und den Grundrechten muss vor Angriffen geschützt und weiterentwickelt werden. 

Die demokratische Organisation der Herrschaft und der Begrenzung von Macht benötigt Partizipation und Teilhabe an der politischen Willensbildung – und dies nicht nur auf gesamtstaatlicher Ebene, sondern überall: in Institutionen und Vereinen, auf kommunaler Ebene ebenso wie in der unmittelbaren Lebens- und Arbeitswelt. Die erlebte, teilweise auch nur gefühlte Machtlosigkeit muss durch praktizierte Selbstwirksamkeit der Menschen verringert und möglichst überwunden, eine demokratische Kultur muss gelebt werden. Dafür benötigt es auf allen Ebenen Strukturen und Prozesse, die sowohl gleichberechtigte Partizipation als auch den Schutz von Minderheiten sicherstellen sowie demokratischen Interessensausgleich und Konfliktbearbeitung ermöglichen. 

Zentral sind Medien und Informationskanäle, die differenzierte Information bieten und Meinungsbildung und Medienkompetenz fördern. Auch digitale Medien müssen einer rechtsstaatlichen Kontrolle unterliegen, menschenverachtenden Beiträgen muss aktiv begegnet werden. 

Demokratie zu leben ist eine Aufgabe für alle. Dazu gehört zum einen, sich widersprechende Sichtweisen und Interessen wahrzunehmen, Konflikte anzuerkennen und Zusammenleben durch Aushandlung gemeinsam zu gestalten. Zum anderen ist es notwendig, sich – ob in politischer Verantwortung, prominent, engagiert in der Zivilgesellschaft oder „nur“ als einfaches Individuum – allen Formen von Ausgrenzung, Gewalt und Angriffen auf Menschen und demokratische Grundprinzipien entgegenzustellen. 

Positive Erfahrungen der Selbstwirksamkeit und kollektiver Selbstregulierung erhöhen die Akzeptanz für die Demokratie. Durch dezentrale Entscheidungskompetenzen werden Selbstbestimmung und Eigenverantwortung erhöht. 

Demokratie muss sich auch in Verteilungskonflikten im Weltmaßstab bewähren; ein Rückzug auf nationale Lösungen ist nicht zukunftsfähig. Die Klimakrise sowie Flucht und Migration und ihre Ursachen sind weltweite Herausforderungen, deren Bewältigung Kooperation über Grenzen hinaus erfordern.

Unser Beitrag

Die AGDF und ihre Mitglieder engagieren sich in vielfältiger Form für gelebte Demokratie:

  • Angebote von internationalen Freiwilligendiensten und Workcamps als wertvolle Lerndienste für junge Menschen und Ausgangsbasis für deren Engagement für eine zukunftsfähige Welt,
  • Projekte der Konfliktbearbeitung, die eine konstruktive Konfliktkultur nachhaltig stärken,
  • parteiische, solidarische Arbeit auf Seiten von benachteiligten, marginalisierten und unterdrückten Menschen, insbesondere auch mit migrantischen Personen,
  • Qualifizierung, Bildungsarbeit und Kompetenzvermittlung in ziviler, gewaltfreier Konfliktbearbeitung, 
  • selbstkritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Beitrag zur wachsenden Demokratieskepsis und „Verzicht“ auf polemisches oder populistisches Agieren.

Schließlich bietet die Mitarbeit in Mitgliedsorganisationen vielen die Möglichkeit, sich in partizipativen Strukturen für Demokratie, Minderheiten, Gerechtigkeit und gegen Rechtsextremismus einzusetzen.

Erwartungen an die Politik

Von der Politik erwarten wir:

  • Transparenz und Ehrlichkeit hinsichtlich der gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen. Wähler*innenstimmen dürfen nicht durch rassistische Politik, materielle Geschenke oder durch Wirtschaftswachstum zu Lasten der Länder des globalen Südens – und damit 4/5tel der Weltbevölkerung – „erkauft“ werden.
  • Nachhaltige und faktenbasierte Arbeit an den Ursachen der globalen und gesellschaftlichen Herausforderungen – auch über Parteigrenzen hinweg –, statt symbolischer Aktionen und Debatten.
  • Selbstkritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Beitrag zur wachsenden Demokratieskepsis und „Verzicht“ auf polemisches oder populistisches Agieren.
  • Das Engagement der gesellschaftlichen, demokratisch organisierten Initiativen und Organisationen, die kollektives und solidarisches Handeln fördern, zu unterstützen 
  • Dauerhafte Absicherung des zivilgesellschaftlichen Engagements für Demokratie, gegen Menschenfeindlichkeit und für konstruktive Konfliktbearbeitung durch Förderprogramme wie „Demokratie leben!“. 
  • Ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht, das Rechtssicherheit für Vereine schafft, die sich für Demokratie und gutes Zusammenleben in Deutschland einsetzen.
  • Eine Anerkennung des freiwilligen Engagements in den o.g. Initiativen und Organisationen. 

Beschlossen am 21. September 2024 in Berlin