Studientag beleuchtet Rolle der Kirche auf dem Weg zu einem (klima-)gerechten Frieden
Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten machen mit spektakulären Störaktionen auf die Dringlichkeit einer sozial-ökologischen Transformation aufmerksam und lösen damit hitzige gesellschaftliche Debatten aus. Kirchen setzen sich für Klimagerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung ein. Doch wo steht die Kirche eigentlich auf dem Weg zu einem klimagerechten Frieden, quasi zwischen Widerstand und Dialog? Diese Frage stand im Mittelpunkt eines Studientages der Evangelischen Akademie der Nordkirche im Christian Jensen Kolleg in Breklum gemeinsam mit der Evangelischen Friedensarbeit.
„Evangelische Kirche ist solidarisch mit dem Anliegen, die Schöpfung zu schützen und sie lebenswert zu erhalten“, unterstrich Anna Nicole Heinrich, die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in Breklum. Dabei verstehe sich die Kirche in dieser Frage als Mahnerin, Mittlerin und Motor, betonte sie. „Darum ist evangelische Kirche auch in Bündnissen aktiv, sie vernetzt sich, sie vermittelt und sie bezieht Stellung“, so Anna Nicole Heinrich.
Die EKD-Präses begrüßte das Engagement von Christinnen und Christen für eine gerechte Klimapolitik. „Mir ist die Beteiligung der evangelischen Kirche in diesen Bewegungen sehr wichtig. Und Kirche verurteilt die Diffamierungen von Aktivistinnen und Aktivisten, und sie versucht, die unterschiedlichen Meinungen zu hören“, erklärte sie in Breklum. Denn: „Gesellschaftspolitische Fragen können uns als Kirche nicht egal sein“, war sie überzeugt, betone aber auch, dass diese Diskussionen auch innerhalb der Kirche polarisieren würden. „Auch das müssen wir als Kirche beachten“, so Anna Nicole Heinrich.
„Motor und Mahner für Frieden. Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung, das waren die Kirchen in der DDR, und wir durften auch den Erfolg sehen“, betonte Landesbischof Friedrich Kramer, der EKD-Friedensbeauftragte, in Breklum. Er beobachte aktuell eine große Hoffnungslosigkeit bei ökologischen Fragen, da sei es wichtig, dass die Kirche hier Hoffnungsgeschichten erzähle. Und auch klar mache: „Der Kirche komme heute auch die Rolle der Trösterin zu, denn der Schmerz und die Verzweiflung sind groß“, so der Landesbischof. Und dennoch seien Christinnen und Christen natürlich dazu aufgerufen, etwas zu tun für den Erhalt der Schöpfung. Der EKD-Friedensbeauftragte äußerte dabei Verständnis für Aktionen des zivilen Ungehorsams von Klimaaktivisten, unterstrich aber auch: „Wir werden das Klimaproblem nicht im Kampfmodus lösen können, sondern nur gemeinsam.“
Die Wichtigkeit von Aktionen zivilen Ungehorsams betonte Professor Dr. Christian Volk von der Humboldt-Universität Berlin. „Es ist ein politisch motivierter Rechtsbruch unter Achtung physischer Unversehrtheit anderer Menschen, der von Gruppen ausgeübt wird, deren Anliegen und oft auch die Mitglieder marginalisiert sind“, erläuterte der Politikwissenschaftler beim Studientag. Dabei dürfe seiner Meinung nach dieser Protest durchaus Kosten verursachen, um so den Druck auf den Staat zu erhöhen. „Ziviler Ungehorsam ist hier eine Ausnahmeform von Protest und steht für ein Demokratisierungsversprechen“, so Christian Volk.
Politischer Protest und soziale Bewegungen seien dabei ein relativ junges Phänomen, ergänzte Dr. Nils C. Kumkar von der Universität Bremen. „Solch ein Protest ist ein Anliegen in der Hoffnung, dass das Problem woanders bearbeitet wird“, so der Soziologe. Erfolgreicher Protest braucht nicht die Zustimmung aller, aber schaffe er es, ein Thema länger in der Öffentlichkeit zu platzieren, dann werde auch die Politik reagieren müssen. „Protestformen müssen sich dabei an ihrer Effektivität messen lassen, allerdings mobilisiert dieser Protest in erster Linie nur die Menschen, die schon von dem Anliegen überzeugt sind“, räumte Nils Kumkar ein.
Akteure würden dabei unterschiedliche Rollen einnehmen, um einen sozialen Wandel zu erreichen, betonte Benjamin Isaak-Krauß in Breklum. Da würde es die Rebellinnen und Rebellen, die Aktivistinnen und Aktivisten, die Reformerinnen und Reformer sowie die Bürgerinnen und Bürger geben, erläuterte der mennonitische Pfarrer aus Frankfurt. Jede dieser Rollen sei wichtig, die Akteure würden sich darüber identifizieren, aber auch gegeneinander abgrenzen und so durchaus auch behindern. Hier müsse sich auch die Kirche klar werden, wo sie sich positioniere und welche Rollen sie übernehme.
„Es braucht einen Ruf zur Umkehr, denn wir leben über unsere Grenzen und der Klimawandel bedroht unser Leben“, unterstrich Oberkirchenrätin Dr. Anne-Kathrin Pappert, die Referentin für Nachhaltigkeit und Bioethik der EKD. Kirche sei sich hier ihrer Verantwortung bewusst, betonte sie beim Studientag. „Und Kirche kann hier einen geistlichen Raum bieten, sie kann Gleichzeitigkeit und Gemeinsamkeiten leben, sie kann theologische Existenzials neu entdecken wie das Gebet oder das Kreuz, und sie kann starke biblische Bilder und Narrative liefern“, unterstrich Anne-Kathrin Pappert.
Doch Christinnen und Christen in der Klimabewegung wünschen sich mehr von der Kirche, von ihrer Kirche, wurde in Breklum deutlich. „Besinne dich auf deinen Glauben“, rief Anna Böck, Pfarrerin und Mitglied von „Letzte Generation“, den Studientagsteilnehmenden zu. Und dies authentisch und ohne Floskeln. „Bezieht endlich Stellung und seid wirklich Motor“, so die Theologin. Und Thomas Zeitler, Pfarrer und Mitglied von „Extinction Rebellion“, gab zu bedenken: „Hier ist Kirche viel zu langsam. Es gibt viele Texte, die aber wenig Wirksamkeit entfalten und auch keine Rückwirkungen in die Gemeinden haben.“ Kirche könne Mahner sein, aber sie könne auch was versuchen. „Wenn Kirche wirklich solidarisch sein will, wie die EKD-Präses es sagt, warum dann nicht auch bei Aktionen zivilen Ungehorsams, bei den Prozessen gegen Klimaaktivisten oder bei anderen Protestaktionen?", fragte der Nürnberger Pfarrer in Breklum.
Die Idee vom Paradies wieder zurückerobern, dass eröffnet das Konzept des „Paradising“. „Die Schöpfung spricht vom Miteinander in der paradiesischen Welt“, so Dr. Constantin Gröhn, Referent für Theologie und Wirtschaftsethik im Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt in der Nordkirche, in Breklum. In der Schöpfung seien alle aufeinander angewiesen, doch die aktuelle Lebensart zerstöre zunehmend die Umwelt. „Wenn wir die Umwelt erhalten wollen, müssen wir ihr gegenüber dienstbarer werden, statt über sie zu herrschen“, meinte Constantin Gröhn. Es gelte, auch wieder Paradiese zu schaffen. „Das sind dann Lebensräume, die nicht so sind, wie es mal war, die aber lebenswert sind für alle Geschöpfe“, unterstrich er und beschrieb seine Vision: „Um jede Kirche einen Garten Eden, um die Schönheit der Schöpfung zu erkennen und Oasen des Lebens zu finden.“
Ist der Klimawandel aber auch ein endzeitliches Geschehen? „Wir erleben eine krisenhafte Entwicklung, die durchaus Bilder des Untergangs schaffen“, meinte Pfarrer Thomas Zeitler, der selbst Klimaaktivist ist. Es gebe eine reale katastrophale Entwicklung und viele würden sagen, es sei zu spät, unterstrich er. Doch es gebe auch die Möglichkeit zur Umkehr. „Wir haben den guten Weg schuldhaft verlassen und sind aufgerufen, umzukehren. Auch damit identifizieren sich viele Aktivisten in der Klimabewegung“, so Thomas Zeitler. Und er macht deutlich: „Ist die Welt noch zu retten? Vielleicht haben wir noch Zeit, aber nicht mehr lange. Wir sollten diese Zeit nutzen!“ Aber Kirche sollte auch nicht Hoffnung versprechen, wo sie nicht mehr ist, fügte er hinzu. Vielmehr müsse die Kreuzestheologie ernstgenommen werden, die echte Ohnmacht zeige. „Gethsemane ist der Garten Eden der Klimabewegung. Und der Auferstehungsglaube thematisiert das Unmögliche“, betonte der Pfarrer. Es gehe darum, Handlungsfähigkeit zu erhalten trotz aller Zweifel.
Viele Aspekte wurden in Breklum angesprochen und diskutiert. „Einen Perspektivwechsel vornehmen, miteinander ins Gespräch kommen, Räume dafür bieten. Das ist eine Aufgabe für Kirche in dieser Diskussion“, so Studienleiterin Maike Lauther-Pohl von der Evangelischen Akademie der Nordkirche. „Und hier in Breklum haben wir bei diesem Studientag dazu Schritte getan“, fügte sie hinzu. Und der EKD-Friedensbeauftragte, Landesbischof Friedrich Kramer, meinte: „Es gibt noch viel zu tun und noch viel zu bewegen auf dem Weg zu einem klimagerechten Frieden.“