Wie die weiße Taube zum Friedenssymbol wurde

Die Taube gilt als Symbol für Frieden. Bekannt wurde sie durch ein Plakat für den Pariser Weltfriedenskongress im Jahr 1949, das Pablo Picasso geschaffen hat.

Berlin, Münster (epd). Auf Flaggen, T-Shirts oder als Schmuckstück: Die Friedenstaube ist ein weltweit bekanntes und beliebtes Motiv - obwohl Tauben in Städten meist als Plagegeister empfunden werden. Ihre Berühmtheit hat sie dem spanischen Künstler Pablo Picasso (1881-1973) zu verdanken.

Schon als Kind malte er Tauben, die sein Vater in einem Verschlag hielt. Von seinem Lieblingsvogel gibt zahllose Variationen, als Tiermalerei genauso wie als politisches Motiv. In seinem Atelier im Pariser Exil soll er ab 1937 zahlreiche Taubenarten wie Ringel-, Turtel- und Lockentauben gehalten haben. Während des Spanischen Bürgerkriegs stand Picasso auf Seiten der Republikaner gegen den Putschisten Franco, prangerte mit seinem Monumentalwerk „Guernica“ die Schrecken des Krieges an. Er identifizierte sich mit der sozialistischen Friedensbewegung und wurde 1944 Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs.

Zum Friedenssymbol wurde Picassos Tauben-Motiv mithilfe seines Freundes, des Literaten Louis Aragon. Dieser war auf der Suche nach einem passenden Plakat für den Weltfriedenskongress im April 1949 in Paris. Er entschied sich für Picassos Lithografie einer weißen Taube auf schwarzem Grund. Sie war am 9. Januar 1949, vor 75 Jahren, in Paris gedruckt worden, wie eine Sprecherin des Kunstmuseums Pablo Picasso in Münster erklärt. Im April 1949 wurde auch Picassos Tochter geboren, die er „Paloma“ nannte - das spanische Wort für Taube.

Der Künstler sei wohl zunächst sehr überrascht von der Idee gewesen, ausgerechnet eine Taube als Friedenssymbol zu wählen, sagte Julia Friedrich, Sammlungs- und Ausstellungsdirektorin des Jüdischen Museums Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Denn nach den Beobachtungen des Künstlers seien Tauben nicht friedfertig, sondern sehr kämpferisch.

Picasso und Aragon sei aber ein realistisches, einfach zu verstehendes Motiv wichtig gewesen, erklärte die Kunsthistorikerin, die 2021 eine Picasso-Ausstellung im Kölner Museum Ludwig kuratierte. Dass die Taube bereits in der christlich-jüdischen Tradition als Friedenssymbol galt, war ihnen dabei durchaus bewusst.

In der Bibel spielt die Taube in der Geschichte von der Arche Noah und der Sintflut eine wichtige Rolle. Als es aufhört zu regnen, kehrt die zweite ausgesandte Taube mit einem Olivenzweig im Schnabel zurück. „Mit dem Ende der Sintflut ist Gottes Versprechen verbunden, dass diese Welt eine Zukunft hat - allen Zerstörungstendenzen zum Trotz“, erklärt die badische Landesbischöfin Heike Springhart.

Zugleich sei die Taube ein Symbol für den Heiligen Geist. Diese beiden Spuren machten die Friedenstaube aus. „Es ist Gottes Geist, der Menschen dazu leitet, dem Frieden nachzujagen und sich für den Frieden zu engagieren“, sagt Springhart. Für die Lithografie der Friedenstaube wurde Picasso 1955 mit dem Weltfriedenspreis geehrt.

Der Künstler malte zeit seines Lebens Tauben. Im Laufe der Zeit habe sich das Motiv der Taube verselbstständigt - heute gibt es Friedenstauben in verschiedenen Varianten. „Für Picasso ist das in Ordnung gewesen. Er hat nie ein Copyright oder ähnlich dafür beansprucht“, sagt Friedrich.

Als Mahnung gegen den Krieg ließ Bertolt Brecht 1954 auf den Theatervorhang des Berliner Ensembles „die streitbare Friedenstaube meines Bruders Picasso“ malen - Picassos Einverständnis setzte er voraus. Der Vorhang wurde zum Wahrzeichen des Theaters.

„Brecht knüpfte an Picassos Sicht an, dass Tauben nicht nur friedfertig sind“, erklärt Friedrich. Der Schriftsteller sei davon überzeugt gewesen, dass man den Streit und den Kampf brauche, um den Frieden durchzusetzen. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Frühjahr 2021 hängt der Original-Vorhang wieder im Großen Haus des Berliner Ensembles.

Picassos Tauben waren während des Kalten Kriegs besonders in der DDR beliebt und wurden in Schulbüchern abgebildet. Die Erzieherin Erika Schirmer aus Nordhausen inspirierte der Künstler zum Kinderlied „Kleine weiße Friedenstaube“ (1949), eines der bekanntesten Lieder der DDR. Nach Picassos Tod 1973 entwickelte der finnische Grafiker Mika Launis das bekannte Friedenslogo weiter, zu einer weißen Taube auf blauem Grund. Sie wurde zum Symbol der Friedensbewegung der 1970er und 1980er Jahre.

Auch als Modeaccessoire ist die Taube beliebt: Lady Gaga trug bei der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden im Januar 2021 ein Kleid mit einer goldenen Friedenstaube inklusive Ölzweig - als Aufruf zur Befriedung der politisch zerstrittenen USA, wie sie später sagte.

Erschreckend aktuell ist die Friedenstaube in Bethlehem: Dort sprühte vor einigen Jahren der Streetart-Künstler Banksy eine weiße Taube mit Ölzweig im Schnabel an eine durchlöcherte Mauer: Sie trägt eine schusssichere Weste - und über ihrer Brust liegt ein Fadenkreuz.