UN-Hochkommissar fordert Bestrafung der Kriegsverbrecher in Ukraine

Genf (epd). Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat eine Strafverfolgung der Verbrechen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gefordert. „Die Täter müssen wissen, dass sie nicht straffrei davonkommen werden“, sagte der 57-Jährige dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Genf.

Derzeit scheine es aber so, als würden die meisten Täter straffrei ausgehen, hielt der oberste Wächter der Menschenrechte der UN fest. Wenn ihnen nicht in der Ukraine und nicht in Russland der Prozess gemacht werde, müssten die UN-Mitgliedsländer entscheiden, ob sie ein internationales Tribunal einrichten.

Der Österreicher Türk betonte, dass auch einzelne Staaten nach dem Weltrechtsprinzip eigene Strafverfahren gegen mutmaßliche Verbrecher einleiten könnten. Ein Gericht in Deutschland habe das Weltrechtsprinzip im Fall von Folter in Syrien angewendet. „Die Geschichte lehrt uns, dass die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen“, unterstrich der Jurist Türk, der sein Amt im Oktober angetreten hatte.

Auf die Frage, ob sich Russlands Präsident Wladimir Putin für seine verbrecherischen Befehle jemals vor einem Gericht werde verantworten müssen, entgegnete Türk, das sei politisch wie rechtlich äußerst kompliziert. „Ich will nicht spekulieren, aber so etwas erscheint mir zurzeit nicht realistisch.“

Türk erklärte, dass die Strafverfolgungsbehörden der Ukraine derzeit 40.000 mutmaßliche Kriegsverbrechen untersuchten. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte habe bereits 2014 nach der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim durch Russland und dem Beginn der Kämpfe im Osten Ermittler in die Ukraine geschickt.

Seitdem hätten die Ermittler Berichte mit mutmaßlichen Kriegsverbrechen angefertigt. „Erst jüngst dokumentierten sie die Tötungen von 441 Zivilisten in drei Regionen während der ersten Monate der Invasion 2022. Es handelte sich um 341 Männer, 72 Frauen, 20 Jungen und 8 Mädchen“, sagte der Hochkommissar. Die tatsächlichen Zahlen seien wahrscheinlich wesentlich höher.

„Wir erfassen auch neue Fälle in Teilen der Regionen Charkiw und Cherson, die von den ukrainischen Streitkräften zurückgewonnen wurden“, erläuterte er. In einigen hätten russische Soldaten Zivilisten in behelfsmäßigen Gefangenenlagern exekutiert. Andere Zivilisten seien nach Sicherheitskontrollen hingerichtet worden. „Eine weitere Kommission des UN-Menschenrechtsrates und des Internationalen Strafgerichtshofs ermitteln in der Ukraine“, hielt Türk fest.