UN-Generalsekretär schaltet sich diplomatisch in Sudan-Konflikt ein

Die Kämpfe im Sudan dauern an. Aktivisten in der Hauptstadt Khartum berichteten am Montag von Luftangriffen. Knapp 100 Zivilisten kamen nach Angaben von Ärzten seit Samstag ums Leben. UN-Generalsekretär Guterres versucht zu vermitteln.

New York, Khartum (epd). UN-Generalsekretär António Guterres hat sich diplomatisch in den blutigen Konflikt im Sudan eingeschaltet. Er habe mit den beiden verfeindeten Militärführern des afrikanischen Landes gesprochen, sagte Guterres am Montag in New York.

Die Gespräche mit dem Vorsitzenden des sogenannten Unabhängigen Rates, General Abdul Fattah Al-Burhan, und dessen Stellvertreter und Rivalen, General Mohamed Hamdan Dagalo, hätten am Wochenende stattgefunden. Guterres betonte, auch Kontakt zur Afrikanischen Union und Arabischen Liga zu haben.

Einzelheiten nannte Guterres nicht. Seit einem Militärputsch im Jahr 2021 wird der Sudan von dem Unabhängigen Rat regiert. Unterdessen hielten die Kämpfe zwischen den Truppen der regulären Armee unter dem Befehl von Abdul Fattah Al-Burhan und den paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF), kommandiert von Mohamed Hamdan Dagalo, genannt „Hemeti“, den dritten Tag in Folge an.

Die Ärzteorganisation CCSD teilte auf Twitter mit, dass bisher mindestens 97 Zivilisten getötet worden seien. Etwa 1.000 Menschen wurden demnach verletzt. In dem Land war am Samstag ein Konflikt zwischen Armee und RSF eskaliert.

Hintergrund der Auseinandersetzungen ist ein Streit zwischen der regulären Armee und der RSF-Spezialeinheit um die Macht im Land. Vergangene Woche war eine Frist für die Vorstellung eines Plans zur Rückkehr zur Demokratie verstrichen. Einer der Streitpunkte war laut Medienberichten die Integration der Paramilitärs in die reguläre Armee.

Die Analystin Raga Makawi berichtete am Montagmorgen aus der Hauptstadt Khartum von verstärkten Luftangriffen. Auch auf einem auf Twitter verbreiteten Video der Architektin und Aktivistin Tagreed Abdin waren Schusswechsel zu hören.

Beide Parteien weisen sich gegenseitig die Schuld für die Eskalation zu. Aus der Konfliktregion Darfur im Westen des Landes wurden ebenfalls Kämpfe mit Verletzten und Toten gemeldet.

International sorgte die Eskalation für Entsetzen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte bereits am Sonntag zu einem Ende der Gewalt aufgerufen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte am Montag, es sei erschütternd, dass ein Machtkampf auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen werde. Das Bundesentwicklungsministerium setzte „aus Sicherheitsgründen“ alle Aktivitäten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit aus. Beide Seiten müssten die Kampfhandlungen sofort einstellen und den Schutz von Zivilisten gewährleisten, hieß es in einem Tweet des Ministeriums.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte sich ebenfalls besorgt geäußert und ein Ende der Gewalt gefordert. Auch der Ökumenische Rat der Kirchen verlangte am Montag eine friedliche Beilegung des Konflikts.

Die Eskalation des Machtkampfes zwischen Al-Burhan und „Hemeti“ ist ein weiterer Rückschlag für die Demokratiebewegung im Sudan. Im Jahr 2019 hatte eine von der Zivilgesellschaft getragene Bewegung den autoritären Langzeitherrscher Omar Al-Baschir gestürzt. Das Militär weigerte sich jedoch, seine Macht an eine zivile Regierung abzugeben.

Hintergründe des Konflikts:

Worum geht es?

In dem Konflikt stehen sich die Soldaten der regulären Armee und die paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) gegenüber. Es geht um die Macht im Sicherheitsapparat - und damit letztlich um den Einfluss auf den Sudan insgesamt sowie die Kontrolle von Ressourcen wie Gold. So kontrollieren die Sicherheitskräfte im Sudan große Teile der Wirtschaft. Laut der Politikwissenschaftlerin Bassma Kodmani hat sich dies auch nach dem Sturz des Langzeitherrschers Omar Al-Baschir im Jahr 2019 nicht geändert.

Warum ist der Konflikt jetzt eskaliert?

Im Jahr 2021 haben Armee und RSF geputscht und eine aus Zivilisten und Militärs zusammengesetzte Übergangregierung abgesetzt. Seitdem wird das Land von dem sogenannten Übergangsrat kontrolliert. An dessen Spitze steht der Kommandeur der regulären Streitkräfte, General Abdul Fattah Al-Burhan. Sein Stellvertreter - und nun auch Widersacher - ist der Oberbefehlshaber der RSF-Paramilitärs, Mohamed Hamdan Dagalo, genannt „Hemeti“.

Vergangene Woche war eine Frist zu Vorstellung eines Plans zur Rückkehr zur Demokratie im Sudan verstrichen. Voraussetzung dafür sollte die Integration der „Rapid Support Forces“ in die Strukturen der nationalen Armee sein. Das war laut Medienberichten bis zuletzt einer der großen Streitpunkte bei den Gesprächen. Für den Beginn der Kämpfe am Samstagmorgen wiesen sich beide Seiten die Schuld zu.

Wer sind die „Rapid Support Forces“?

Die Einheit geht auf die Dschandschawid-Miliz zurück, die im Darfur-Krieg aufseiten der Regierung gegen die Rebellion nicht arabischer Sudanesen gekämpft hatte. Der Miliz, die damals schon unter dem Kommando von „Hemeti“ stand, werden schwere Menschenrechtsverbrechen wie ethnische Säuberungen vorgeworfen. Im Jahr 2013 gründete der damalige Machthaber Al-Baschir aus ihr die RSF-Spezialeinheit. Damit wollte er sich unter anderem gegen mögliche Konkurrenz aus dem Militärapparat absichern.

Der jetzige Befehlshaber „Hemeti“ war einst Kamelhändler und stieg in der Dschandschawid-Miliz schnell auf. Inzwischen setzt er seine Truppen auch für seine persönlichen wirtschaftlichen Interessen ein. So eroberten sie im Jahr 2017 die lukrativste Goldmine im Land, was „Hemeti“ zu einem der größten Goldhändler und -exporteure gemacht hat. Die Einheit hat Saudi-Arabien auch Söldner für den Krieg im Jemen gestellt.

Was sind die Folgen der Kämpfe für die Zivilbevölkerung?

Nach Angaben der Ärztevereinigung CCSD wurden bis Montagmorgen 97 Zivilisten getötet. Etwa 1.000 weitere Menschen wurden demnach verletzt. Auch die humanitäre Hilfe ist von dem Machtkampf der Generäle beeinträchtigt. Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) musste seine Arbeit wegen der Sicherheitslage vorerst stoppen. Dabei haben nach Angaben der Vereinten Nationen etwa 15 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen nicht genug zu essen.

Der Konflikt ist zudem ein weiterer Rückschlag für die Demokratiebewegung im Sudan. Seit dem Sturz Al-Baschirs kämpft die Zivilgesellschaft gegen die Macht der Generäle und für eine Demokratisierung des Landes. Bei Protesten wurden Dutzende Menschen getötet.

Droht jetzt ein Bürgerkrieg im Sudan?

International und auch im Land wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation. Je länger die Kämpfe anhielten, desto mehr bestehe die Gefahr, dass sie sich zu einem Bürgerkrieg ausweiteten, warnt etwa der Horn-von-Afrika-Direktor der Denkfabrik „Crisis Group“, Alan Boswell. Auch der Sudan-Experte Suliman Baldo hält das für möglich. Bereits jetzt werde deutlich, dass beide Generäle lokaler Unterstützer hätten, sagte der Direktor des Instituts „Sudan Transparency and Policy Tracker“ dem britischen Sender BBC. Wegen der engen Beziehungen könnten ihm zufolge die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien eine wichtige Rolle bei Vermittlungen spielen.