Streit um Erinnerung an NS-Opfer in Torgau

Wenige Monate vor Eröffnung einer neuen Dauerausstellung im sächsischen Torgau gibt es Ärger. Der Verband der Opfer der NS-Militärjustiz hat die Zusammenarbeit mit der sächsischen Gedenkstätten-Stiftung aufgekündigt.

Dresden, Bremen (epd). Um die Darstellung der NS-Militärjustiz in der Gedenkstätte im sächsischen Torgau gibt es Streit. Die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz teilte am Dienstag in Bremen mit, dass sie ihre Zusammenarbeit mit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten einstellt. Die Stiftung reagierte mit Bedauern auf den Schritt, signalisierte aber weiter Dialogbereitschaft.

Der Geschäftsführer der Stiftung, Markus Pieper, erklärte auf epd-Anfrage, seit der Neuausrichtung der Gedenkstättenstiftung Ende 2021 sei es erklärtes Ziel, die Konflikte aus der Vergangenheit beizulegen und die Zusammenarbeit mit der Bundesvereinigung auf „eine kollegiale Basis“ zu stellen. Die Stiftung sei frühzeitig auf die Bundesvereinigung zugegangen und habe sie umfangreich in die Konzeption der neuen Dauerausstellung im Erinnerungsort Torgau einbezogen. Diese soll Ende August eröffnen.

Der Vorstand der Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz, Günter Knebel, warf der Stiftung hingegen eine „fortgesetzte Geringschätzung der Verfolgungsgeschichte“ der Opfer der NS-Militärjustiz vor. So gebe es für die Verweigerer von Adolfs Hitlers Vernichtungskrieg am zentralen Ort ihrer Verfolgung in Torgau weiter keine angemessene Darstellung dieser Verbrechen.

Nach Angaben der Bundesvereinigung wurden von der NS-Militärjustiz rund 30.000 Deserteure, Verweigerer und sogenannte Kriegsverräter zum Tode verurteilt und etwa 20.000 hingerichtet. Der Deutsche Bundestag hob 2009 alle Urteile der NS-Militärjustiz gegen die Opfer auf und rehabilitierte sie.

In Torgau befand sich nach Angaben des Opferverbandes im Zweiten Weltkrieg das Zentrum der NS-Militärjustiz mit Reichskriegsgericht, zwei Militärgefängnissen und zeitweilig auch zwei Feldstraflager. An zwei Orten in Torgau seien zudem Verurteilte erschossen worden.

Laut Gedenkstättenstiftung legt die neue Dauerausstellung ihren Schwerpunkt auf die Geschichte der nationalsozialistischen Militärjustiz, des Reichskriegsgerichts und auf die Verfolgungsgeschichte zehntausender Kriegsgegner, Deserteure und Angehöriger des Widerstandes. Die Schicksale der Opfer stünden im Zentrum der neuen Ausstellung und würden den Besuchern in zahlreichen Biografien nähergebracht, erklärte Pieper.

Die Schwerpunktverlagerung auf die Auseinandersetzung mit der NS-Militärjustiz bringt Pieper zufolge die Gedenkstätte auch durch einen neuen Namen zum Ausdruck. Sie heiße fortan „Erinnerungsort Torgau. Justizunrecht - Diktatur - Widerstand“. Zwei kleinere Ausstellungsteile beschäftigen sich demnach mit der Zeit nach 1945 in Torgau, mit den sowjetischen Speziallagern Nr. 8 und Nr. 10 sowie mit politischen Häftlingen in der DDR, darunter viele Jugendliche.

Laut Knebel war die Zusammenarbeit mit der sächsischen Stiftung von Beginn an von Konflikten geprägt. Obwohl die sächsische Landesregierung auf Druck von NS-Opferverbänden ihr Gedenkstättengesetz überarbeitet habe, gebe es über die grundsätzliche Bewertung der NS-Militärjustiz keine Einigung. Der Geschäftsführer der Stiftung erklärte zum Streit: „Wir nehmen den Gesprächsfaden jederzeit gerne wieder auf.“