Latzel: Friedensethische Debatte nicht auf Waffenlieferungen verengen

Düsseldorf (epd). Der rheinische Präses Thorsten Latzel hat davor gewarnt, die friedensethische Debatte in der evangelischen Kirche auf die Frage von Waffenlieferungen zu verengen. „Ja, es gibt ein Recht auf Selbstverteidigung und die Aufgabe der Völkergemeinschaft, ein anderes Land darin zu unterstützen“, sagte er am Dienstag in Düsseldorf in seinem Bericht vor der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland. Die Kirche sei aber nicht der Staat und es sei gut, „konkret nach unserer Aufgabe als Kirche zu fragen“.

Diese Aufgabe werde in der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 klar beschrieben, in der sich evangelische Christen von der Weltanschauung der Nationalsozialisten und von theologischen Irrlehren abgrenzten, sagte der leitende Theologe der zweitgrößten Landeskirche in Deutschland. Danach solle die Kirche „an Gottes Reich, Gottes Gebot und Gerechtigkeit“ sowie an die Verantwortung aller erinnern.

Eine konkrete Aufgabe im Blick auf den Ukraine-Krieg ist nach Latzels Worten, bei der Versorgung der mehr als eine Million ukrainischen Kriegsflüchtlinge in Deutschland und der Menschen in der Ukraine zu helfen. Bestehende Brücken wie Versöhnungsprojekte müssten aufrechterhalten und neue Brücken etwa zur Versorgung behinderter Menschen in der Ukraine gebaut werden. Außerdem gehöre es zu den Aufgaben von Kirche, ihre friedenspädagogische Kompetenz einzubringen „für die notwendigen Aufarbeitungsprozesse und die Entwicklung von Zukunftsperspektiven“.

Latzel verurteilte die dezidiert religiöse Begründung des russischen Angriffskriegs durch führende Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche und deren Patriarchen Kyrill. Es werde von einem „heiligen Krieg gegen den Verfall der Moral im Westen“ gesprochen und getöteten Soldaten werde die Vergebung aller Sünden verheißen. „Das ist schlicht Gotteslästerung“, sagte der rheinische Präses. Es sei erschreckend, wie Zivilisten gefoltert und getötet würden und die Infrastruktur in der Ukraine gezielt zerstört werde: „Leben soll in der Ukraine dauerhaft zerstört werden - ein klarer Bruch des humanitären Völkerrechts.“

Der bis Freitag tagenden Landessynode liegt ein Entwurf für einen „friedensethischen Beschluss“ zum Ukraine-Krieg vor. Darin wird der Ukraine „das Recht auf Selbstverteidigung gegen den Aggressor Russland“ attestiert, dies schließe auch das Recht auf eine angemessene Nothilfe ein. Frieden könne jedoch letztlich nur durch Verhandlungen erzielt werden und gewaltfreie Konfliktlösungen müssten immer die Priorität vor militärischen Lösungen haben. Im Blick auf Waffenlieferungen stehe die Kirche in einem Dilemma: „Sowohl durch Waffenlieferungen als auch durch die Verweigerung von Waffenlieferung nehmen wir Leiden und Sterben von Menschen in Kauf“, sagte Latzel. „Wir laden in jedem Fall Schuld auf uns.“