Kirchen-Appell zu Mitmenschlichkeit und Frieden

Bielefeld/Bonn (epd). Die Botschaft der Weihnachtsgeschichte ist nach Worten der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, auch an die Menschen in der Pandemie gerichtet. Diese Geschichte sei „sehr wohl auch eine für alles Volk, von pandemischem Ausmaß“, sagte Kurschus an Heiligabend in einem Gottesdienst in Bielefeld. Wie Jesus geboren worden sei, sei heilig. Die westfälische Präses verwies dabei auf eine Weihnachtspredigt von Martin Luther King, der betont habe, dass alle Menschen ungeachtet von politischen und ideologischen Unterschieden Brüder seien.

Sie wünsche sich mehr solcher Reden gegen Feindschaft und Abgrenzung - „ob in der Kirche, in Parlamenten oder am Familientisch über der Weihnachtsgans“, sagte Kurschus: „Reden, in denen wir uns gegenseitig an das erinnern, was wirklich zählt.“ Auf dass nicht irgendwann solche finsteren Zeiten wiederkehrten, in denen umgebracht werde, wer so menschlich vom Menschen spreche wie vor rund 50 Jahren Martin Luther King.

Die EKD-Ratsvorsitzende beobachtet mit Sorge den aktuellen Ukrainekonflikt und mahnt Friedensanstrengungen an. „Zur Zeit schaue ich mit Furcht und Zittern auf das, was sich in der Ukraine abspielt“, sagte Kurschus am ersten Weihnachtstag. Sie frage sich: „Wo wird die Rhetorik der Feindschaft, wo wird die Spirale der Eskalation enden?“ Nötig sind ihrer Ansicht nach „Gesten der Entfeindung“, von denen die biblische Weihnachtsbotschaft der Hoffnung erzählt: „Bleibt in der Liebe! Haltet zusammen! Seid um Gottes Willen solidarisch miteinander!“, appellierte sie.

Nach Ansicht des Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sind viele Menschen innerlich zerrissen durch mangelnde Selbstliebe bis hin zur Selbstverachtung. Die Botschaft von der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus an Weihnachten könne Kraft und Vertrauen wecken, sich selbst anzunehmen, sagte der Limburger Bischof am ersten Weihnachtstag. Im Grunde könne sich nur der bejahen, der sich von Gott bejaht wisse. „Also ist Menschsein Vertrauenssache.“

Der lippische Landessuperintendent Dietmar Arends rief in seiner Predigt am ersten Weihnachtstag zur aktiven Nächstenliebe auf. Wer den Weg mit dem Jesuskind mitgehe, „wird schmerzhaft spüren, wenn andere Menschen an Krankheit oder Hunger leiden, ohne Dach über dem Kopf sind, auf der Flucht, wenn sie traurig und einsam sind“, sagte Arends in Detmold. Aus der Liebe zu Christus und aus solchem Schmerz heraus entstehe die Liebe zu anderen Menschen und zu der Welt.

Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker beklagte, dass der Gehalt des Weihnachtsfestes oft in den Hintergrund trete. „Unsere Erlebnisgesellschaft inszeniert Weihnachten zum Kuschel-Event“, kritisierte Becker in seiner Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag im Paderborner Dom. Auch Jesus habe nicht das Licht einer „erträumten Extrawelt“ erblickt, sondern „das Licht der Welt mit Flüchtlingsströmen und nationalen Egoismen“. In einer Welt voller Hunger, Gewalt, Krieg und Ungerechtigkeit gehe es darum das „Christuslicht von Bethlehem“ zum Leuchten zu bringen und damit christliches Handeln sichtbar zu machen, unterstrich der Erzbischof.

Auch der Münsteraner Bischof Felix Genn forderte mehr Verantwortungsbewusstsein. Das Leben Jesu sei davon geprägt gewesen, „anderen zu helfen, leben zu können, überleben zu können“, sagte Genn laut Predigttext am Samstag im Gottesdienst im Dom zu Münster. Die Menschen heute sollten in diese Fußstapfen treten und durch konkrete Hilfen „Freudenboten“ für die Armen und Bedrängten sein. Als Beispiel nannte Genn den Einsatz des Hilfswerkes Adveniats, das in der Corona-Krise Menschen in den Armutsvierteln der Großstädte Lateinamerikas unterstützt.