Friedensforscher: Welt von nuklearer Abrüstung noch weit entfernt

Stockholm (epd). Friedensforscher sehen die Welt noch weit entfernt von einer atomaren Abrüstung. Zwar habe sich die Anzahl der Nuklearsprengköpfe weiter verringert, doch das Tempo bleibe langsam, erklärte das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri am Montag. Gleichzeitig seien alle neun Atommächte dabei, ihre Arsenale zu erweitern und technisch aufzurüsten. 

Demnach verfügten die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea zu Beginn dieses Jahres insgesamt über 14.465 Atomsprengköpfe. Das sind 470 weniger als 2017. Die Friedensforscher schätzen, dass derzeit 3.750 nukleare Sprengköpfe operativ einsetzbar sind.

Mitte der 1980-er Jahre hatte es einen Spitzenwert von nahezu 70.000 atomaren Sprengköpfen gegeben. Der Rückgang sei vor allem darauf zurück zu führen, dass Russland und die USA ihre Arsenale nach Unterzeichnung des bilateralen Abrüstungsabkommens "New START" 2010 reduzierten. Allerdings besitzen beide Länder immer noch fast 92 Prozent aller Nuklearwaffen. Deren langfristige Strategie sei zudem, die Bestände von Sprengköpfen sowie die Systeme für Raketen- und Flugzeugträger und Produktionsanlagen zu modernisieren.

Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican) spricht von einem "unkontrollierten Wettrüsten". Die Situation sei damit noch gefährlicher als während des Kalten Krieges, weil viel mehr Akteure beteiligt seien, sagte Martin Hinrichs, Vorstandsmitglied von Ican Deutschland, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die USA willen für die Modernisierung ihrer Kernwaffen bis 2026 etwa 400 Milliarden Dollar investieren. Nach Informationen des US-Verteidigungsministeriums vom Februar behält sich das Land vor, auch neue Nuklearwaffen zu entwickeln. Die anderen Atommächte, darunter Indien, Pakistan und China verfügen demnach zwar über wesentlich kleinere Arsenale. Doch auch sie seien dabei, aufzustocken und neuere Kernwaffen zu entwickeln.

"Trotz des eindeutigen internationalen Interesses an nuklearer Abrüstung, die sich in der 2017 geschlossenen Vereinbarung über ein Kernwaffenverbot widerspiegelt, zeigt die laufende Modernisierung nuklearer Bestände, dass echte Fortschritte ein weit entferntes Ziel bleiben", kritisierte Sipri-Experte Shannon Kile. Das Anti-Atomwaffen-Bündnis Ican, das am Zustandekommen des UN-Vertrags vor knapp einem Jahr maßgeblich beteiligt war und dafür den Friedensnobelpreis erhielt, fordert unter anderem von Deutschland, seinen Boykott aufzugeben und dem internationalen Atomwaffenverbot beizutreten.

Laut Sipri hat Nordkorea seine Kapazitäten zur Nuklearwaffen-Herstellung vergangenes Jahr technisch weiter entwickelt. Bei dem als "historisch" bezeichneten Treffen mit US-Präsident Donald Trump am 12. Juni in Singapur hatte Machthaber Kim Jong Un sich grundsätzlich zu einer atomaren Abrüstung bereit erklärt. Ican fordert einen konkreten Abrüstungsplan auf Grundlage internationaler Verträge: Damit bleibe das Völkerrecht bestehen, auch wenn Trump oder Kim wieder absprängen, sagte Martin Hinrichs.